Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


Rote Armee

 

 

In der Roten Armee dienten von 1941 bis 1945 bis zu eine Million Frauen in den unterschiedlichsten Funktionen, auch im Fronteinsatz und im Kampf mit der Waffe. Dieser Masseneinsatz von Frauen in der Armee war in dieser Art neu. Da es für Frauen keine Wehrpflicht in der Sowjetunion gab, rekrutierten sich die Frauen und Mädchen überwiegend aus Freiwilligen. Mit dem Kriegsverlauf kam es aber auch zu Dienstverpflichtungen.

 

Im Sanitätswesen dominierten die Frauen. Sie stellten 100% für die Verwundetenpflege als Krankenschwestern und 40 % für die Verwundetenbergung und Erstversorgung als Sanitäterinnen. Das Rote Kreuz bildete circa 300.000 Frauen als Krankenschwestern aus, 300.000 als Sanitäterinnen und über 500.000 als Sanitäterinnen für die lokale Luftverteidigung. Dazu kamen noch etwa 100.000 Frauen bei den Partisanen und Untergrundbewegungen, unter denen ebenfalls ein beträchtlicher Teil Pflegekräfte waren.

 

Die weiblichen Pflegekräfte in der Sowjetischen Armee genossen den gleichen militärischen Status wie die Soldaten. Sanitäterinnen, die 15 Verwundete mit Waffen (!!!) bargen, erhielten als Auszeichnung die "Medaille für Tapferkeit", für 25 Verwundete mit Waffen den Orden "Roter Stern", für 49 Verwundete mit Waffen den "Rot-Banner-Orden" und für das Bergen von 80 Verwundeten mit Waffen den "Lenin-Orden". (Stellt sich die Frage, was wichtiger war: Verletzter oder Waffen? Nicht nur, dass Mädchen, und das waren viele Rotarmistinnen, ihr Leben riskierten, wenn sie in der Kampflinie einen ausgewachsenen Mann bergen mussten, leichtsinnig wurde zusätzlich ihr Leben gefährdet, weil sie sich dazu auch noch mit schweren Waffen abbuckeln mussten.)

 

Allerdings muss bemerkt werden, dass die Rotarmistinnen unter erheblich schlechteren Bedingungen kämpften wie ihre männlichen Kollegen. Die Pflegekräfte waren auch in der vordersten Front. Sie teilten mit den männlichen Kollegen Versorgungsengpässe, Nachschubprobleme, Entbehrungen, miese Arbeitsbedingungen, Schlafmangel, schlechte Witterung, Dreck, Ungeziefer, Angst, Not, Elend. Bei Gefangennahme durften sie nicht auf Gnade hoffen, eher war das Gegenteil der Fall, weil oft genug ihr militärischer Status missachtet wurde. In der Deutschen Wehrmacht war es weit verbreitet, weibliche Kriegsgefangene der Sowjetarmee an Ort und Stelle zu ermorden. Die, die überlebten und auf ihren militärischen Status pochten, also sich weigerten, die Uniform abzulegen, damit sie als Zivilgefangene zur Zwangsarbeit verschickt werden konnten, landeten in der Regel statt im Gefangenenlager im KZ.

 

Grete Stabej, von 1939 - 1945 im KZ Ravensbrück inhaftiert, berichtete im Mai 1945, dass am 27.2.1943 etwa 500 weibliche Mitglieder der Roten Armee ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück kamen. Sie schilderte über das Eintreffen der Frauen aus der SU: "Die Aufseherin Zieger, gebürtig aus dem Sudetenland, ist außer Rand und Band: Flintenweiber kommen! Eine tolle Sache! Eine wollte einem SS-Mann einen Finger abbeißen während des Transportes durch Fürstenberg! ..... ...." Weiterhin erzählte Grete Stabej, dass die Rotarmistinnen ruhig und diszipliniert in Reih und Glied in das KZ einmarschierten. Bei der Aufnahme wurden sie durch die SS besonders schikaniert. Entgegen dem Kontaktverbot gelang es Häftlingen, mit den Frauen und Mädchen der Roten Armee Kontakt aufzunehmen. Es stellte sich heraus, dass sie überwiegend dem weiblichen Sanitätsdienst der Roten Armee angehörten. Es waren also Ärztinnen, Krankenschwestern und Sanitäterinnen, vermutlich waren aber auch Nachrichtenhelferinnen unter ihnen.

 

Eine Liste von hingerichteten Rotarmistinnen im KZ Ravensbrück, die eine Insassin nach ihrer Befreiung aus dem Gedächtnis anfertigte und der sowjetischen Kommandantur übergab.

 

Krankenschwestern, die bei der Gefangennahme verschont wurden, mussten auch des öfteren zwangsweise in deutschen Lazaretten Dienst tun. Befand sich die Wehrmacht auf dem Rückzug, wurden sie meistens zurückgelassen. Obwohl die deutsche Propaganda bereits darüber ausführlichst berichtet hatte, was diesen Frauen geschehen konnte. Sowie der geringste Verdacht der Feindbegünstigung für die Politkommissare vorlag, was durch eine Arbeit für die Deutschen erfüllt war, drohte die Hinrichtung oder Arbeitslager in Sibirien. Die Pflegekräfte der Sowjetunion wurden nicht nur durch einen Diktator angegriffen und existentiell bedroht, sondern dienten zwangsweise einem Diktator, der dem anderen kaum nachstand.

 

Nicht nur bei der Gefangennahme hatten die Rotarmistinnen deutlich schlechtere Karten als die männlichen Soldaten. Ihre sogenannte Gleichberechtigung innerhalb der eigenen Armee war auch recht zweifelhaft. Für viele Mädchen kam der erste Schock, wenn ihnen einfach die Zöpfe abgeschnitten wurden. Man steckte sie in Männeruniformen. Meist waren die Sachen zu groß, die Uniform zu grob, die klobigen Soldatenstiefel eher hinderlich beim Laufen. Die medizinische Versorgung war besonders anfangs betreffs Gynäkologie mangelhaft.

 

Viele männliche "Kameraden" begegneten den Rotarmistinnen, oft blutjunge Mädchen, mit Mißtrauen und Vorurteilen. Sexuelle Übergriffe waren nicht ungewöhnlich und wurden totgeschwiegen. Viele Rotarmistinnen ließen sich mit Offizieren ein, um Schutz vor den eigenen Soldaten zu erhalten. In der sowjetischen Gesellschaft wurde ihre Moral in Frage gestellt, als Ehepartnerin wurden sie später häufig aufgrund ihrer Kriegsteilnahme deshalb abgelehnt. Die Propaganda favorisierte ab etwa 1944 wieder das spießig-konservative Frauenbild, das aufopferungs- und hingebungsvoll die heimkehrenden Kriegsteilnehmer umsorgte. Der Dank an die Rotarmistinnen war nicht selten Verachtung, sodass sich Kriegsteilnehmerinnen für ihren Einsatz später schämten und ihren Kriegsdienst verschwiegen. "Der Mann kam zurück und war ein Held! Auf Freiersfüßen! Unsereins aber stieß auf scheele Blicke: "Man weiß ja, was ihr dort getrieben habt! Und womöglich beriet die ganze Verwandtschaft, ob so eine in die Familie einheiraten dürfe."

 

Abgesehen von einigen zu Denkmälern hochstilisierten Kriegsteilnehmerinnen wurde das Gros eher verfemt, geächtet, diskriminiert. Viele Soldatinnen hatten in ihrer Militärzeit schwere Traumata erlitten. Ausgrenzung und Schweigen verhinderten eine Bewältigung ihrer traumatischen Erlebnisse. So verwundert es nicht, dass viele ehemalige Rotarmistinnen größte Schwierigkeiten hatten, sich nach Kriegsende wieder in der Gesellschaft zu integrieren und im Alltag zurechtzufinden.

 

Nur wenige der Kollegen und Kolleginnen in der ehemaligen SU konnten dem Vergessen entrissen werden. Es ist eine traurige Tatsache, dass Tausende von sowjetischen Pflegekräften nicht ermittelt werden können, die Opfer oder Verfolgte des Nationalsozialismus wurden. Tausende von ihnen werden leider nie eine Wiedergutmachung, einen Grabstein, Gedenken, Ehrung oder Achtung erfahren.

 

Ich danke für Hilfe und Unterstützung Dr. Ramona Saavedra Santis, Osteuropa-Institut  der Freien Universität Berlin, und dem Deutsch-Russischen-Museum Berlin-Karlshorst. (Zu empfehlen: "Mascha + Nina + Katjuscha" Frauen in der Roten Armee 1941 - 45", ISBN 3-86153-281-6 oder ISBN 3-86153-282-4)

 

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