Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege""... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"Eva Erben, geborene Löwith
Eva Erben wurde 1930 in Děčín (deutsch Tetschen-Bodenbach) an der Elbe in Tschechien geboren. 1936 zog die Familie nach Prag um. Ihr Vater hatte es als Chemiker, Erfinder und Fabrikbesitzer zu einem bürgerlichen Wohlstand gebracht, bis 1939 hatte sie eine unbeschwerte Kindheit. Sie wuchs zweisprachig mit deutsch und tschechisch auf, hatte Freundinnen und ging gerne zur Schule. Ab 1939 mit der deutschen Besatzung wurde sie zunehmend als Jüdin ausgegrenzt, isoliert und diskriminiert. Richtig bewusst wurde es dem Kind das erste Mal, als sie im Sommer 1939 ein Eis kaufen wollte. An der Tür vom Eiscafé in ihrer Straße war ein Schild angebracht: "Juden und Hunden Eintritt verboten".
In der nächsten Zeit wurde der Familie alles weggenommen: Haus, Auto, Radio, Hund. Eva durfte nicht mehr die Schule besuchen. Sie mussten den gelben Stern tragen. Aber man war optimistisch, glaubte, nach dem Krieg würde wieder alles besser werden und der Krieg könne nicht lange dauern. Die Chance, nach Shanghai zu emigrieren wurde verpasst. Am 11.12.1941 stand die Polizei vor der Tür und holte sie ab. Die Familie wurde in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Aus ihr wurde die Nummer 643 und der Vater war von ihr und der Mutter getrennt.
In Theresienstadt arbeitete die Elfjährige zusammen mit anderen Kindern in der Landwirtschaft. Ab und zu ergab sich die Möglichkeit, Obst oder Gemüse zu stehlen. Unter den Kindern existierte ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, auch, weil sie in dem Sinne kein Zuhause hatten. Da viele Künstler in Theresienstadt waren, wurde den Kindern sehr viel Kultur vermittelt. Sie spielten Theater, in der Kinderoper Brundibár, rezitierten, befassten sich mit Musik. So hatten sie auch etwas Lebensfreude im gesamten Elend des Ghettos.
Auch in Theresienstadt war die Hoffnung nicht besiegt. Die Erwachsenen dachten, dass die Kinder überleben werden und sich irgendwann ein normales Leben aufbauen können. In Theresienstadt gab es eine Typhusepidemie. Im Oktober 1944 wurde ihr Vater in ein anderes Lager gebracht. Man erzählte ihnen, dass er in ein neues besseres Lager kommen würde. Kurz darauf konnte man sich freiwillig für dieses Lager melden. Eva und ihre Mutter meldeten sich in der Hoffnung, wieder mit dem Vater zusammen zu kommen. Sie wurden auch nicht mit Viehwagen abgeholt, sondern mit normalen Personenzügen, wenn auch mit vernagelten Fenstern. Es wurde kein Verdacht geschöpft. Von Auschwitz wussten sie nichts.
Genau dorthin wurden sie deportiert. Eine Frau, die sie aus Theresienstadt kannten und die in dem KZ als Ordner eingesetzt war, zog sie von der Mutter weg, schärfte ihr ein, sie müsse alleine durch die Selektion gehen und wenn sie nach ihrem Alter gefragt wird, 18 Jahre angeben. Eva war bei ihrer Ankunft von Auschwitz derart geschockt, dass sie ohne nachzudenken das tat, was ihr diese Frau eingeschärft hatte. Die Lüge der Vierzehnjährigen, sie sei 18 Jahre, retteten ihr das Leben. Mutter und Tochter wurden für die Zwangsarbeit selektiert.
Drei Wochen später wurden sie wieder selektiert und kamen in das Außenlager von Groß-Rosen. Vorher erhielten sie etwas bessere Kleider und Schuhe. Da man ihr zwei linke Schuhe zugewiesen hatte, versuchte sie, einen rechten Schuh aus dem riesigen Schuhhaufen zu fischen. Das sah jemand von der SS und schlug ihr mit seinem Gewehr ins Gesicht. Zwei Schneidezähne brachen ab.
Im Frühjahr 1945 kurz vor Kriegsende wurden sie auf den Todesmarsch gehetzt. Es war April 1945 und noch kalt, besonders die Nächte. Nach circa 550 Kilometern trafen sie in Falkenau, einem Außenlager vom KZ Flossenbürg ein. Mit etwa 1300 Frauen waren sie in Groß-Rosen gestartet, im Lager Falkenau kamen etw 250 Frauen an. Ihre Mutter starb dort am 17.4.1945 an Entkräftung. Eva war nun allein auf sich gestellt.
Als die Häftlinge weiter unterwegs in einem Heuschober schlafen durften, suchte sich Eva als Schlafplatz die Nähe einer Kuh und vergrub sich tief in der Einstreu, um wenigstens etwas Wärme zu haben. Völlig entkräftet fiel sie in einen tiefen Schlaf. Als sie aufwachte, war sie allein. Den Abmarsch hatte sie verschlafen. Die SS-Wachmannschaft entdeckte sie unter dem Stroh nicht, für die Spürhunde verdeckte der Kuhgeruch den Menschengeruch. Man hatte sie vergessen. Sie war gerettet.
Bei hilfsbereiten tschechischen Bauern konnte das Mädchen untertauchen und wurde erst einmal aufgepäppelt. Später wurde sie von ihrer Tante gefunden, die eigentlich ihren Mann gesucht hatte. Eva zog zu ihr. Diese Tante ging allerdings sehr unsensibel mit dem Mädchen um. Erzählte Eva etwas vom Konzentrationslager, zweifelte die Tante den Wahrheitsgehalt an. Eva zog die Konsequenzen und brach nach einem Jahr den Kontakt zur Tante ab und ging in ein Heim.
1946 begann sie in diesem jüdischen Waisenhaus in Prag eine Ausbildung zur Krankenschwester. Ursprünglich wollte sie eigentlich Ärztin werden, was die Lebensumstände nicht gestatteten. Im Mai 1948 traf sie zufällig Peter Erben wieder, den sie aus Theresienstadt kannte. Die beiden wurden ein Paar und heirateten. Eva war bereits schwanger, als sie 1949 nach Israel emigrierten. Ihre Tochter kam im selben Jahr in Haifa zur Welt. Der Neuanfang in Israel war für die Familie zu Beginn sehr schwer, denn sie kamen in Israel ohne finanzielle Mittel an, waren arm.
1970 kam ihr drittes Kind, Sohn Amir, zur Welt. 1979 wurde sie von der Lehrerin ihres jüngsten Sohnes gebeten, über ihre Erlebnisse in der Klasse zu erzählen. Es fiel ihr schwer, zuzusagen, spürte aber als Zeitzeugin eine Verpflichtung. Das war der Anstoss, ihre Erlebnisse niederzuschreiben in dem Buch "Mich hat man vergessen. Erinnerungen eines jüdischen Mädchens". Es ist bewusst so geschrieben, dass es auch Kinder lesen können.
Jahrzehntelang konnte sie kein Deutsch sprechen. Erst nachdem sie erkannte, dass sich Deutschland völlig gewandelt hatte, war die Sprachblockade weg. Obwohl Israel zu ihrer neuen Heimat wurde, vermisste sie dennoch die alte.
Quellen: Radio Bayern 2: „Man hat sie vergessen“ Eva Erben, Holocaust-Überlebende; Interview mit Eva Erben mit Stefan Parrisius; Mich hat man vergessen. Erinnerungen eines jüdischen Mädchens, ISBN: 3407990723 (ISBN-13: 9783407990723)
Thelma Shorey Erickson - Byrne
Thelma Shorey Erickson wurde am 18.5.1907 in Lynn, Massachusett, geboren. Sie absolvierte ihre Ausbildung zur Krankenschwester in New England. Die Krankenschwester gehörte zur Abraham Lincoln Brigade, die auf Seiten der rechtmäßigen spanischen Republik gegen die Franco-Putschisten in Spanien kämpfte.
Thelma Shorey war Oberschwester in der Villa Paz. Am 22.2.1938 heiratete sie heimlich in Valencia Dr. Albert Barnitz Byrne, einen Landsmann, der ebenfalls zur Abraham Lincoln Brigade gehörte. Eheschließungen waren unter den Interbrigadisten nicht gerne gesehen. Man befürchtete, dass sich durch Eheschließungen oder Liebeleien die Prioritäten der Kämpfer verschieben könnten. Genau das geschah auch bei Thelma und Albert. Nach der Hochzeit wollten die Jungvermählten Spanien schnellstmöglich und ohne offizielle Entlassung verlassen und wurden deshalb festgenommen. Thelma wurde deshalb vier Tage, ihr Mann drei Monate inhaftiert. Das Ehepaar bekam den Sohn Kenneth R. Byrne.
Am 26.7.1938 kehrte das Ehepaar an Bord der Ile de France in die USA zurück. Die Ehe hielt nicht und wurde kurz nach der Rückkehr in die USA geschieden.
Quellen: Abraham Lincoln Brigade Archiv; Spanienkämpferinnen: ausländische Frauen im spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, ISBN-10: 3643504047 ISBN-13: 978-3643504043
Elsa Erlebacher
Elsa Erlebacher, geboren am 6.10.1886 in Bretten bei Karlsruhe, war Krankenschwester im Schwesternheim Dillmannstraße 19 in Stuttgart. Das jüdische Schwesternheim wurde mangels eines jüdischen Krankenhauses errichtet und betreute bis zur Nazizeit jüdische und nichtjüdische Kranke in ihrer häuslichen Umgebung.
Nach Hitlers "Machtergreifung" war sie und das Schwesternheim wachsenden Repressalien ausgesetzt. Nach der Progomnacht pferchten die Nazis ältere jüdische Mitbürger in das Schwesternheim, wofür es nicht gedacht und ausgelegt war. Die völlige Überbelegung schaffte katastrophale Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen. 1941 musste das Haus innerhalb 12 Stunden geräumt werden.
Schwestern und Bewohner wurden in das Jüdische Altersheim in der Heidehofstraße umquartiert, später in ein Lager in Dellmensingen (siehe auch Hilda Fischer, Ruth Ursula Henle und Ida Henle) . Danach kam Elsa Erlebacher in ein Stuttgarter Sammellager auf dem Killesberg. Dort musste sie mit den anderen Schwestern aus dem Jüdischen Schwesternheim etwa 950 alte Menschen auf ihre Deportation vorbereiten. Am 22.8.1942 begleiteten die Krankenschwestern die alten Leute nach Theresienstadt. Viele der Alten überlebten den Transport in den Viehwagen unter menschenunwürdigen Bedingungen nicht.
Elsa Erlebacher wurde 1942 zunächst in das Ghetto Theresienstadt verschleppt und am 12.10.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Aus ihrer Familie hat jemand überlebt, denn ein Neffe legte für sie bei YAD VASHEM ein Erinnerungsblatt an.
Von den Krankenschwestern des Schwesternheimes überlebte die Deportation nur Elsa Ruth Rieser. Zwei Krankenschwestern starben in Auschwitz, eine in Maly Trostinec und eine war bereits im Dezember 1941 in Riga ermordet worden. An Elsa Erlebacher erinnert heute ein Stolperstein in der Stuttgarter Dillmannstraße 19 vor dem ehemaligen Jüdischen Schwesternheim.
Quelle: Jüdische Pflegegeschichte / Jewish Nursing History – Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main, Stolpersteine Stuttgart; YAD VASHEM; Zeichen der Erinnerung
Marianne Eschelbacher
Nach dem Schulbesuch erlernte ab 1935 die Jüdin Marianne Eschelbacher den Beruf der Krankenschwester in England. Mit vierzehn Jahren kam sie alleine nach England, stammte ursprünglich aus Düsseldorf und war die Tochter des dortigen Rabbiners Dr. Max Eschelbacher und seiner Frau Bertha. Sie und ihre drei Brüder Leo, Hermann und Joseph-Ludwig konnten rechtzeitig Nazideutschland verlassen. Der Preis war insoweit hoch, dass ein Bruder wie sie in England unterkam, der zweite in den USA und der dritte in Argentinien. Das Visum bestimmte das Reiseziel. Im Januar 1939 gelang auch den Eltern noch die Ausreise nach England.
Paula Essinger (Auf dem Foto sind die Essinger-Schwestern)
Paula Essinger, geboren 1892, war ausgebildete Krankenschwester. Ihre Eltern hießen Leopold Essinger und Fanny, geb. Oppenheimer. Ihr Vater hatte ein Versicherungsbüro, von dem die Familie gut leben konnte. Sie hatte fünf Schwestern und drei Brüder. Die neun Kinder wuchsen in einer Familie auf, für die die Gemeinschaft eines der wichtigsten Güter war.
Ihre Schwester Clara (Claire), geboren 1883, war mit dem Herrlinger Bezirksarzt Moritz Weimersheimer verheiratet. Sie war Erzieherin und reformpädagogisch ausgerichtet. 1911 ließ sie in Herrlingen eine Villa errichten, die als Kinderheim geeignet war. 1912 eröffnete sie dort ein Kinderheim für noch nicht schulpflichtige, schwer erziehbare, zurückgebliebene oder verhaltensgestörte Kinder. Ihre Brüder Fritz und Willi unterstützten sie finanziell, um ihre Vorhaben umzusetzen.
Als die Kinder 1925 in das Schulalter kamen, hatte sie die Idee zu einem Landschulheim. Ihre Kinder sollten auch reformpädagogisch beschult werden. Die ganze Famiie unterstützte die neuen Pläne. Anna Essinger, geboren 1879, die in den USA ein Germanistikstudium absolviert hatte und Lehrerin war, erfüllte die Vorraussetzungen als Schulleitung. Auch sie orientierte sich an der Reformpädagogik und besonders an der Montessoripädagogik. Paula brachte als Krankenschwester die Eignung als Hausmutter mit. Sie hatte vorher bereits Erfahrungen mit schwierigen Kindern gesammelt.
1926 konnte die Privatschule mit Internat eröffnet werden. Das Haus war einrichtungsmäßig und technisch damals auf dem neuesten Stand. Die Schülerzahl von anfangs 18 Schülern wuchs rasch, sodass bereits 1928 das Landschulheim um ein weiteres Haus erweitert werden musste. Die Einrichtung war überkonfessionell und Kinder aus allen Gesellschaftsschichten waren dort vertreten. Es wurden auch Kinder genommen, deren Eltern nicht das Schulgeld aufbringen konnten.
Die Schwestern Essinger legten großen Wert auf ein gemeinschaftliches Leben und eine ganzheitliche Erziehung. Die Schüler sollten Eigeninitiative und Selbständigkeit entwickeln, die Lehrer waren eher Berater. Schüler, Lehrer, Betreuungspersonal duzten sich. Die Kinder wurden nicht in Klassen, sondern in Gruppen unterrichtet. Die Entwicklungsreife entschied, welches Kind zu welcher Gruppe gehörte. Es gab kein übliches Notensystem, stattdessen Entwicklungeberichte. Die theoretische und praktische Ausbildung sollten ineinandergreifen. Leibesertüchtigung, Hygiene, Malen, Zeichnen, Werken, Musizieren, Singen, Theaterspiel hatten den gleichen Stellenwert wie die klassischen Schulfächer.
Anna und Paula Essinger stellten ein gutes Team dar. Anna leitete und vertrat die Einrichtung, erarbeitete mit Kollegen pädagogische Konzepte, wachte darüber, dass sie auch umgesetzt werden, entschied über Lehrerbesetzungen. Aber sie hatte eher eine kühle, distanzierte Ausstrahlung. Es gab auch Kritik an ihrem autoritären Führungsstil. Paula als Hausmutter pflegte nicht nur erkrankte Kinder, sondern vermittelte den Kindern auch Warmherzigkeit, Mütterlichkeit, war ihre Vertrauensperson, vermittelte ein Zuhause-Gefühl. So ergänzten sie sich bestens zum Wohle des Landschulheims.
Familie Essinger besaß insgesamt eine bemerkenswerte Weitsicht. Sie hatten von Anfang an nie die nationalsozialistische Gefahr unterschätzt. Als andere sich sicher waren, dass die Nazis sich noch beruhigen werden und der Spuck sowieso bald vorbei wäre, suchten sie bereits nach neuen Standorten außerhalb Deutschlands.
Anfang Oktober 1933 sammelten sich an drei verschiedenen Orten eine Gruppe mit Schülern, Lehrern und Betreuern für einen Ausflug. "Zufällig" trafen sich die drei Gruppen in Ostende, Belgien. Am 5.10.1933 kamen in Dover, England, 65 Schüler, der Lehrkörper und Betreuungspersonal an. Im Vorfeld hatte man in Südengland ein geeignetes Anwesen für das Landschulheim gefunden, klammheimlich die Eltern informiert, die zustimmten, im September eine kleine Gruppe Lehrer und Schüler vorgeschickt für Vorbereitungen und dann derart den Umzug gestaltet. Die Auswanderung in drei Gruppen war unauffälliger als mit der gesamten Schule. So vermied man eventuellen Ärger mit den Nazis. Am 6.10.1933 fand bereits wieder regulärer Unterricht in der "New Herrlingen School" statt. Später wurde das Landschulheim „Bunce Court“ genannt.
Ein großes Problem war stets die Finanzierung der Schule. Je mehr sich die Lage in Deutschland zuspitzte, umso größer wurde das Problem, weil viele Eltern nicht mehr das Schulgeld zahlen konnten. Das Landschulheim war immer auf Spenden angewiesen und die erwachsenen Beschäftigten erhielten als Lohn nur ein Taschengeld.
Ein weiteres Problem wurde schnell gelöst. Ein Junge erkrankte im November 1933 an Kinderlähmung und starb daran drei Tage später. Im Frühjahr wurde eine Krankenstation gebaut, Paulas Reich.
Irgendwann stieß Bertha Kahn dazu, eine Schwester von Paula. Die Erzieherin hatte noch 1933 ein Kinderheim in der Nähe von Grenoble eröffnet, aber wohl erkannt, dass Frankreich langfristig keine sichere Adresse ist. Ihr Eintreffen bedeutet eine große Entlastung für Paula, denn sie übernahm ebenfalls eine Funktion als Hausmutter.
Denn die nächste große Herausforderung ließ nicht lange auf sich warten: die Kindertransporte. Das Personal und die älteren Schüler von „Bunce Court“ organisierten die Auffanglager, mussten bei der Versorgung der Kinder helfen, nach Pflegefamilien und Heimen suchen. Die Kinder der Kindertransporte waren zudem oft stark traumatisiert, litten unter der Trennung von ihrer Familie, hatten Angst um die Zurückgebliebenen und Heimweh. Es galt also nicht nur, diese Kinder satt zu bekommen und ein trockenes Plätzchen anzubieten. Der Kriegsausbruch bedeutete für „Bunce Court“ einen radikalen Einschnitt. Im Mai erschienen zwei Regierungsvertreter und erklärten, dass alle Lehrer und über 16 Jahre alten Schüler, die nicht Briten seien, als Enemy Aliens (Ausländer aus einem Feindesland) galten. Innerhalb von zwei Stunden wurden etwa 15 Schüler und Lehrer abgeholt und interniert. Am nächsten Tag wurden die Frauen und Mädchen geholt. Die Internierungslager befanden sich teilweise sogar in Übersee.
1940 wurde Südengland zum Verteidigungsgebiet. Die Schule sollte innerhalb von drei Tagen geräumt werden. Man gestand dann eine Gnadenfrist zu und verlängerte auf eine Woche. Etwa 100 Kinder und Beschäftigte siedelten nach Trench Hall in Shropshire in sehr beengte Verhältnisse um, was den Schulbetrieb erschwerte. Erst 1946 konnte man nach „Bunce Court“ zurückkehren. Die größte Herausforderung kam aber 1945. In „Bunce Court“ wurden Kinder aus Konzentrationslagern aufgenommen. Oftmals waren sie die einzigen Überlebenden aus ihren Familien. Ihre Überlebensstrategien aus dem KZ waren nun nicht mehr erwünscht. Sie mussten lernen, in ein "normales" Leben zu finden, was viele niemals im Naziterror kennengelernt hatten. Diese Kinder verlangten dem Personal und älteren Schüler alles ab.
Für Paula kamen noch die Sorgen um ihre Schwester Anna dazu. Anna Essinger ging auf die 70 Jahre zu und erblindete. Es stellte sich außerdem heraus, dass sie nicht in der Lage war, die Leitung der Schule abzugeben. Viele Jahre hatte sie um diese Schule und ihre Kinder gekämpft, Es war ihre Schule. Sie konnte keine andere Schulleitung außer sich selbst akzeptieren. So war die Schließung der Schule 1948 nicht mehr abzuwenden.
Nachdem die Schule geschlossen war, zogen Paula und Anna in ein kleines Haus von „Bunce Court“, die ehemalige Krankenstation. Auch ihre Schwester Bertha blieb auf dem Gelände in einem kleinen Nebengebäude. In das Schulgebäude zog ein Genesungsheim für Kinder, in dem Paula und Bertha noch mitarbeiteten. Ab 1953 war „Bunce Court“ ein Altersheim. Paula und Bertha pflegten nun ihre inzwischen völlig erblindete Schwester. Anna Essinger starb 1960. Paula erbte „Bunce Court“. Tante Paula, wie die Kinder sie immer nannten, starb 1975 in London.
Quellen: Wikipedia; Manfred Berger: Anna Essinger - Gründerin eines Landerziehungsheims. Eine biographisch-pädagogische Skizze, in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik, 17 1997/H. 4, S. 47-52
Dora Ettelson
Dora Ettelson gehörte zur Abraham Lincoln Brigade. Sie war verheiratet mit Dr. Abraham Ettelson, Arzt und Gehirnchirurg. Das Ehepaar stammte aus Chicago, Illinois. Beide gingen zusammen nach Spanien und arbeiteten ab Juli 1937 im medizinischen Dienst der Internationalen Brigaden.
Quelle: Archiv Abraham Lincoln Brigade
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