Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


Margarete Albrecht-Heydkamp

 

Über das Leben von Margarete Albrecht-Heydkamp ist leider wenig bekannt. Sie wurde als Margarete Albrecht 1885 geboren und absolvierte die Ausbildungen als Säuglings- und Krankenpflegerin.

 

An der städtischen Kinderklinik in Düsseldorf wurde sie leitende Schwester, in Hamburg Oberin einer privaten Kinderklinik.

 

Die Kinderkrankenpflege war ein relativ neues Berufsfeld, die Versorgung kranker Kinder mangelhaft, es sei denn, man war finanziell in der Lage, eine eigene Krankenschwester einzustellen. Die Säuglingssterblichkeit war hoch, was auch mit den Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zusammenhing.

 

Margarete Albrecht und die Oberin Antonie Zerwer vom Berliner Kaiserin-Auguste-Viktoria-Säuglingsheims erkannten Handlungsbedarf und gründeten 1927 den „Reichsverband für Säuglings- und Kleinkinderschwestern“.

 

Den Vorsitz übernahm Antonie Zerwer. Antonie Zerwer ist heute noch bekannt und gilt als Begründerin der modernen Säuglings- und Kinderpflege, Margarete Albrecht dagegen ist weitgehend in Vergessenheit geraten.

 

Der „Reichsverband für Säuglings- und Kleinkinderschwestern“ agierte als spezieller Berufsverband unabhängig von der allgemeinen Krankenpflege. Der Berufsverband bot Aus- und Fortbildungen an, um die Pflegequalität in der Kinderkrankenpflege zu fördern und war maßgeblich an der Planung einer reichseinheitlichen Ausbildung und staatlichen Prüfung beteiligt. Ferner vertrat der Berufsverband die Interessen ihrer Kinderkrankenschwestern, bemühte sich um eine Verbesserung der gesellschaftlichen Anerkennung, wirtschaftlichen Situation und Arbeitsbedingungen. Die Nazis lösten die Berufsorganisation 1934 im Rahmen der sogenannten Gleichschaltung zwangsweise auf.

 

Als sogenannte „Halbjüdin“ zog sich Margarete ins Privatleben zurück.

 

Margarete Albrecht-Heydkamp starb 1966.

 

Quelle: Deutsche Schwesternzeitung, 1967 Feb, 20(2):81


 

Hermine Alenzo (Herminia Alonso Martinenz)

 

Hermine oder Hermina wurde 1913 in Oran in Algerien geboren. Die Informationen zu ihr sind sehr dürftig, weshalb auch die unterschiedlichen Namen nicht geklärt werden konnten. Sie soll Spanierin gewesen sein, aber die französische Staatsangehörigkeit besessen haben, was eventuell mit ihrem Geburtsort zusammenhing.

 

Bekannt ist, dass sie Krankenschwester oder Hilfskrankenschwester war und ab 1933 in Spanien lebte. Sie arbeitete zunächst im Hospital der Internationalen Brigaden in Murcia. Während der Franco-Offensive im Aragon war sie zwei Monate mit der 45. Division an der Front. Im August 1938 wurde sie in das Krankenhaus Moià evakuiert, im Herbst verließ sie Spanien.

 

Hermine oder Herminia soll einen Antrag für ein Visa nach Kuba beantragt haben. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt.

 

Quellen: Le Maitron https://maitron.fr/; Internationale Frauen im Spanischen Krieg 1936 – 1939 https://internationale-frauen-im-spanischen-krieg-1936-1939.de/; https://sidbrint.ub.edu/ca/node/26528 Universitat de Barcelona


 

Joyce Miriam Alergant

 

Joyce wurde etwa 1918, nach anderen Quellen 1913, geboren. Mit 14 Jahren verließ sie die Schule und wurde Verkäuferin. Als sie in einem Slumviertel von Liverpool arbeitete, lernte sie Armut und schreckliche Wohnverhältnisse kennen. Es war wohl der Auslöser, um der Kommunistischen Partei beizutreten.

Sie engagierte sich in internationalen Hilfsprojekten, zum Beispiel organisierte sie Hilfen für chinesische Kriegswaisen im Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg. 1938 arbeitete sie für  „Hilfe für Spanien“.

 

Zur Pflege kam sie im Zweiten Weltkrieg. Sie trat dem Roten Kreuz bei und pflegte Verwundete aus Dünkirchen in einem Militärkrankenhaus.

 

Nach der Bombardierung des Krankenhauses arbeitete sie in London im Ministerium für Versorgung. Es gelang ihr, ein Studium in Liverpool abzuschließen und sie wurde 1945 kommunistisches Ratsmitglied der Westminster City Council.

 

Als kommunistische Stadträtin setzte sie sich 1946 vehement für die Rechte von Mietern ein. Deshalb wurde sie wegen „Verschwörung zur Anstiftung und direkten Hausfriedensbruchs“ angeklagt, weil sie zu massenhaften Hausbesetzungen für wohnungslose Menschen aufgerufen hatte und sich am 8.9.1946 selber an der Besetzung von sieben leerstehenden Luxuswohnungen in Kensington beteiligte. Die Hausbesetzungen breiteten sich schließlich in ganz Großbritannien aus, woraufhin der Wohnungsbauminister ein Exempel statuieren wollte und gegen Joyce und vier männliche Mitstreiter Klage erheben ließ.

 

Das Gericht befand am 31.10.1946 die Beschuldigten in allen Punkten für schuldig, verhängte aber nur die Mindeststrafe, zwei Jahre auf Bewährung, weil es die Ursache, die Wohnungsnot, und die Verzweiflung der Betroffenen als Motiv für das Vergehen berücksichtigte.

 

Das Ziel war erreicht: die Regierung und die Kommunalverwaltungen wurden gezwungen, leere Grundstücke und Häuser für Wohnungslose zu beschlagnahmen.

 

1989 starb Joyce Miriam Alergant.

 

Quellen: https://grahamstevenson.me.uk/2009/03/08/joyce-alergant/ Michael Walker; https://internationale-frauen-im-spanischen-krieg-1936-1939.de


 

Jenny Aloni, geb. Rosenbaum

 

Jenny Rosenbaum, geboren am 7.9.1917 in Paderborn, Tochter eines jüdischen Kaufmanns, bereitete sich nach ihrem Schulbesuch im Michaelkloster 1935 auf die Auswanderung nach Palästina auf Gut Winkel in der Mark Brandenburg vor.

 

1936 siedelt sie nach Berlin über und legte 1939 das Abitur ab. Danach verschlug es sie in die Niederlausitz, wo sie Gruppenleiterin im Hachscharah-Kibbuz war. 1939 gelang ihr die Auswanderung nach Palästina. Zurück blieben ihre Eltern und ihre Schwester, die von den Nazis ermordet wurden.

 

In Jerusalem an der Hebräischen Universität begann sie zu studieren. Ihren ersten Kontakt zur Pflege bekam sie durch den Krieg. 1942 trat sie als Sanitäterin in eine jüdische Einheit der britischen Armee ein. 1946 wurde sie aus der Armee entlassen und wandte sich der Sozialarbeit zu. Sie besuchte eine entsprechende Schule und ging 1947 nach Paris und München, um jüdische DP´s (Displaced Persons) zu unterstützen.

 

Als DP´s wurden Zivilpersonen bezeichnet, die durch den Krieg außerhalb ihres Heimatlandes lebten, ohne Hilfe nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten oder sich in einem anderen Land ansiedeln wollten. Zu den DP´s gehörten Zwangsverschleppte, Zwangsarbeiter*innen, befreite Menschen aus den Konzentrationslagern, aber auch jüdische Menschen, für die ein Leben z. B. in Deutschland nicht mehr zumutbar war.

 

Betreut wurden die DP´s durch die UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration oder Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen). Die UNRRA wurde 1943 als internationale Hilfsorganisation gegründet und gehörte ab 1945 zu den Vereinten Nationen. Sie kümmerte sich um Ernährung, Bekleidung, Unterbringung, medizinische und pflegerische Versorgung und Rehabilitation, Hilfestellungen bei behördlichen Angelegenheiten wie beispielsweise Anträge für Visa, Rückführung in die Heimat oder Aufnahmeländer für die DP´s.

 

1948 heiratete sie Esra Aloni. Im jüdisch-arabischen Krieg nutzte sie alte Erfahrungen und arbeitete wieder als Sanitäterin. 1950 kam ihre Tochter Ruth zur Welt. Ab den 1950er Jahren engagierte sich Jenny Aloni in sozialen Projekten, besonders in der Jugendarbeit. Von 1963 bis 1981 leistete sie außerdem in der psychiatrischen Klinik in Beer Jaakow ehrenamtliche Arbeit. 1955 besuchte sie Deutschland und ihre Heimatstadt Paderborn.

 

Bekannt wurde Jenny Aloni durch ihr literarisches Schaffen, überwiegend in deutscher Sprache. Sie wurde zur wichtigsten deutschsprachigen Schriftstellerin Israels. Viele ihrer Werke beschäftigen sich mit den ersten Jahren der Nazizeit aus jüdischer Sicht. 1967 erhielt sie den Kulturpreis ihrer Geburtsstadt Paderborn, 1991 wurden ihr zwei Literaturpreise verliehen. Heute existiert an der Universität Paderborn das Jenny-Aloni-Archiv, das den literatischen Nachlass der Autorin betreut und verwaltet.

 

Jenny Aloni starb am 30.9.1993 in Ganei Yehuda.

 

Quellen: Wikipedia; Jüdische Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Westfalen; Jenny-Aloni-Archiv an der Universitaet-GH Paderborn; www.jüdische-gemeinden.de


 

Betti (Betty) Alsberg, geb. Keschner

 

Betti Keschner wurde am 3.1.1920 in Hattingen geboren. Die Familie zog bald nach Wuppertal, wo ihrem Vater ein Möbelgeschäft gehörte. Ihr Elternhaus war assimiliert, sehr liberal und nicht besonders fromm. Bis zu den Nazis hatte Betti eine unbekümmerte und behütete Kindheit in wohhabenden, wenn auch nicht richtig reichen Verhältnissen.

 

Eigentlich wollte sie nach dem Lyzeum Lehrerin werden, durfte aber in Deutschland als Jüdin nicht studieren. Sie hatte sehr früh begriffen, dass sie in Deutschland keine Zukunft hatte und plante, in Palästina ihren Berufswunsch umzusetzen. Für ihre Familie stand ihre Auswanderung fest. Ihre Eltern hatten ihr dafür extra eine Zimmereinrichtung und Aussteuer gekauft, damit sie etwas für ihren Start in Palästina hätte. Ihre Einrichtung kam übrigens nie in Palästina an. Die Nazis hatten sie einfach in Hamburg versteigert.

 

Der Wuppertaler Rabbiner riet ihr zunächst nach Breslau zu gehen, um dort einen Hebräischkurs zu absolvieren als Vorbereitung für das Lehrerseminar in Jerusalem. Der gleiche Rabbiner hatte auch ihrem späteren Mann Paul Alsberg, der wie sie aus Wuppertal kam, geraten, in Breslau das Breslauer Rabbinerseminar zu besuchen, um sich ebenfalls auf seine geplante Auswanderung vorzubereiten. Unabhängig voneinander fuhren also die jungen Leute ungefähr zeitgleich nach Breslau. Bis dato hatten sie keinen näheren Kontakt, da sie in Wuppertal unterschiedlichen zionistischen Organisationen angehörten. In Breslau besuchten beide dieselbe Klasse für Hebräisch und lernten sich so erst richtig kennen.

 

Betti bewunderte zwar ihren Freund Paul, weil er ein großes Wissen besaß und ständig erweiterte, als Mann war er aber eher nicht ihr Typ. Doch ihre Freundschaft wurde seine Lebensversicherung. Am 10.11.1938 schloss die Gestapo das Breslauer Rabbinerseminar und verhaftete alle männlichen Lehrer und Studenten. Betti ließ man laufen. Das rettete ihm wahrscheinlich das Leben.

 

Sie wagte sich zur Gestapo und erfuhr, dass die Verhafteten in das KZ Buchenwald gebracht wurden. Außerdem bekam sie die Information, dass diejenigen, die ihre Papiere für die Auswanderung und eine Fahrkarte besaßen, freigelassen werden. Daraufhin brach sie in das Seminargebäude ein, dass die Gestapo versiegelt hatte, und holte dort notwendige Formulare, Studienbücher und Leistungsnachweise für eine Emigration heraus. Als nächstes alarmierte sie seine Familie und seinen Bruder in Haifa für ein Zertifikat, der sofort die Gefahr erkannte und aktiv wurde. Pauls Mutter und ihr gelang es schließlich, seine Auswanderung perfekt zu machen, sodass Paul aus dem KZ entlassen wurde. Für sich selber konnte sie ein Touristenvisum vom englischen Konsul ergattern. 1939 emigrierten sie nach Palästina. In Israel änderte sie die Schreibweise ihres Vornamens von Betti in Betty.

 

Fortan blieben Betty und Paul zusammen, wurden ein Paar. Der Start in Palästina war für beide sehr schwer. Zunächst wollte Betty ihren Berufswunsch realisieren und begann im Lehrerseminar. Irgendwann fehlte ihr das Geld, das Lehrerseminar abzuschließen. So entschied sie sich schließlich zu einer Ausbildung als Krankenschwester. Da Paul Asthmatiker war, kam ihm das sehr entgegen. Paul gelang es, sein Studium der Geschichte und romanischen Philologie abzuschließen und schließlich zu promovieren.

 

Im März 1942 heirateten Betty und Paul. Ihren Eltern und Geschwistern war es auch gelungen, Deutschland rechtzeitig zu verlassen. In seiner Militärzeit arbeitete Paul als Sanitäter. Nachdem er eine Anstellung im Staatsarchiv bekam, ruhte die Verantwortung zum Lebensunterhalt nicht mehr alleine in Notzeiten auf Betty, die ununterbrochen als Krankenschwester und Kinderpflegerin arbeitete. Später wurde Paul Staatsarchivar und war am Aufbau der Gedenkstätte Yad Vashem beteiligt. Das Ehepaar setzte sich sehr für die deutsch-jüdische Verständigung ein.

 

Sie bekamen zwei Kinder, Tochter Irit, geboren am 29.7.1946 in Jerusalem, und Sohn Simon, Spitzname Monie, geboren am 8.8.1951 ebenfalls in Jerusalem. Der Sohn änderte seinen Nachnamen in Alsur. Er starb mit 22 Jahren am 6.10.1973 als Soldat im Jom-Kippur-Krieg, ein schwerer Schicksalsschlag für die Familie. Dr. Paul Abraham Alsberg starb am 20.8.2006, Betty Alsberg am 12.6.2012.

 

Quellen: Vereinigung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft, Florian Kempf, März 2006; Westdeutsche Zeitung, Nachruf, 13. Juli 2012, Ernst-Andreas Ziegler, https://irgun-jeckes.org/familie-alsberg/


 

Johanna Gertrude Alsberg, geb. Feiss (Feiß)

 

Johanna Gertrude Feiss wurde am 15.1.1895 in Mussbach bei Neustadt an der Weinstraße geboren. Meistens wurde sie Gertrude oder Gertrud genannt. Ihre Eltern waren der Kaufmann Karl Feiss und Regina, geborene Kulm.

 

Gertrud wurde Krankenschwester. Im I. Weltkrieg arbeitete sie in Lazaretten und wurde für ihre Arbeit mit der Rotekreuzmedaille 3. Klasse und dem Ehrenkreuz des Vaterländischen Frauenvereins ausgezeichnet.

 

Im Januar 1920 heiratete Gertrud Ernst Siegfried Alsberg, der am 8.6.1879 in Kassel geboren wurde. Das Ehepaar lebte in Hamburg und hatte zwei Töchter. Regina Elfriede Franziska, Spitzname „Fränzi“, (siehe Regina Elfriede Franziska [Francis] Rose, geb. Alsberg) wurde am 15.12.1920 und Margot Emmy (siehe Margot Emmy Jones, geb. Alsberg) am 5.6.1924 in Hamburg geboren.

 

Gertrud war das, was man heute eine "Powerfrau" nennt. Sie gab zwar zunächst nach der Heirat ihre Arbeit als Krankenschwester auf, war aber dennoch überaus aktiv und engagierte sich politisch und sozial. Ihre politische Heimat war die Deutsche Staatspartei (DStP), ursprünglich eine linksliberale Partei. Dort betätigte sie sich als Kreisführerin der Frauengruppe. Außerdem war sie Mitbegründerin des "Jüdisch-Liberalen Vereins" und gehörte dem Vorstand an. Ferner erfüllte sie Aufgaben und übernahm Posten in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, für die sich auch ihr Mann engagierte, gehörte zur Geschäftsführung der Frauengruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und war bis 1933 ehrenamtlich als "Wohlfahrtspflegerin" für die städtische Sozialverwaltung tätig.

 

Unter den Nazis rückte allerdings mehr und mehr der Überlebenskampf in den Mittelpunkt. Immerhin glückte ihren Töchtern die Emigration. 1938 und1939 gelangten sie mit Kindertransporten nach England. Von dort zogen beide später in die USA. Das Ehepaar versuchte auch zu emigrieren, was nicht mehr gelang. Damit waren sie dem üblichen Naziterror ausgesetzt: Angriffe, Ausgrenzung, Gewalt, Verlust der Existenzgrundlage, ihres Eigentums, ihrer Wohnung und Zwangsumzüge in sogenannte Judenhäuser.

 

Gertrud arbeitete ab 1938 wieder im Israelitischen Krankenhaus. Zuletzt wohnte das Ehepaar Alsberg in der Schäferkampsallee in Hamburg. In der Schäferkampsallee befand sich das Jüdische Krankenhaus, allerdings auch das ehemalige Altersheim der jüdischen Gemeinde, was in ein sogenanntes Judenhaus umgewandelt wurde. Gertrud Alsberg wurde die Leiterin des Jüdischen Altenheimes, machte außerdem im Jüdischen Krankenhaus Nachtdienste, übernahm Privatpflegen und arbeitete zusätzlich als Fürsorgerin der Jüdischen Gemeinde.

 

Am 15.7.1942 wurde das Ehepaar in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo sie am 16.7.1942 mit 923 Leidensgenoss*innen eintrafen und registriert wurden. Auf der Theresienstädter Eingangsliste wurde für sie als Berufsbezeichnung nicht Krankenschwester, sondern Oberin angegeben, vermutlich durch ihre Tätigkeit in dem Hamburger Jüdischen Altenheim.

 

Auch wenn ich dazu keine Informationen finden konnte, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass Johanna Gertrude in Theresienstadt nicht als Krankenschwester gearbeitet hätte. In dem Ghetto arbeiteten alle Pflegekräfte in der Pflege.

 

Am 28.10.1944 wurde das Ehepaar Johanna Gertrude und Ernst Siegfried Alsberg nach Auschwitz deportiert und am selben Tag ermordet.

 

In der Schäferkampsallee in Hamburg erinnert heute ein Stolperstein an das Ehepaar.

 

Quellen: YAD VASHEM; Bundesarchiv Gedenkbuch; Geni.com; Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich (statistik-des-holocaust.de), Hamburger Stolpersteine; Björn Eggert


 

Annie Altschul

 

 

Annie Altschul wurde am 18.2.1919 in Wien geboren. Ihr Vater verstarb früh durch einen Unfall. Nach seinem Tod lebte die Familie durch den Wegfall des Ernährers in wirtschaftlicher Not. Annie Altschul war eine begabte Schülerin und erhielt deshalb eine Freistelle auf einem Lyzeum. So konnte sie ihr Abitur ablegen und begann ein Mathematikstudium. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland 1938 musste sie allerdings als Jüdin nach dem ersten Semester die Wiener Universität verlassen.

 

Ihr gelang mit der Mutter im März 1938 die Emigration nach England. Der einzige Besitz, den sie nach England mitnehmen konnten, war ein Ölbild, das eine österreichische Landschaft darstellte und das Annie bis zu ihrem Lebensende als größten Schatz hütete. In der englischen Emigration ähnelte ihr Werdegang zunächst vielen anderen jüdischen Flüchtlingen. Sie arbeitete anfangs als Kindermädchen und Haushaltshilfe und begann dann eine Krankenpflege- und Hebammenausbildung.

 

Annie Altschul begann als Probeschwester in Epsom und Ealing zu arbeiten, wo sie mit den Ausbildungsbedingungen allerdings sehr unzufrieden war. Später wechselte sie zum Armee-Geisteskrankenhaus und absolvierte eine Zusatzausbildung für die psychiatrische Pflege. Im Maudsley Hospital in London qualifizierte sie sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie durch eine Zusatzausbildung zur Stationsschwester und nach einer weiteren Zusatzausbildung wurde sie Pflegelehrerin. Später schloss sie ein Psychologiestudium am Birkbeck College an, weilte drei Monate während einer USA-Studienreise an der Boston University School of Nursing und unternahm weitere Studienreisen nach Kanada und Australien.

 

1957 wurde ihr erstes Buch "Psychiatrische Krankenpflege" veröffentlicht, 1962 folgte "Psychologie für Krankenschwestern". Beide Bücher wurden theoretische Grundlage für eine professionelle psychiatrische Pflege. Ihre Forschungsarbeit zu Beziehungen zwischen Pflegenden und Patienten fand große Beachtung und brachten ihr akademische Ehren und Würden ein. Ab 1976 war sie Professorin und Leiterin des pflegewissenschaftlichen Institus der Universität Edinburgh. Auch für die WHO war sie beratend tätig. Für ihre Verdienste um die Rechte und Interessen der psychiatrischen Patienten wurde sie 1983 in Großbritannien mit einer der höchsten Auszeichnungen geehrt, dem CBE (Commander of the British Empire).

 

Für die psychiatrische Pflege galt sie weltweit als Pionierin. Annie Altschul verstarb am 24.12.2001 in London.

 

Quellen: Royal College of Nursing: Artikel von Laurence Dopson über Annie Altschul (englisch) 


 

Frida (Frieda) Amram

 

Die jüdische Krankenschwester Frieda Amram wurde am 6.10.1885 in (Bad) Zwesten geboren.

 

Ihre Eltern hießen Wolf Benjamin Amram und Gütel Julie (Julchen), geborene Lomnitz. Ihre Geschwister waren ihre ältere Schwester Frances Amram, ihre jüngere Schwester Goldine Hirschberg, Spitzname Dina, und ihr jüngerer Bruder Jacob Amram, Spitzname Jax. Fridas Vater starb bereits 1909 in Marburg,

 

Ihre Ausbildung absolvierte sie in Frankfurt/M. Anschließend übernahm sie Privatpflegen in Hamburg und Heilbronn. Wie viele ihrer Kolleginnen auch meldete sie sich im I. Weltkrieg freiwillig zum Lazarettdienst.

 

Ab 1912 war sie Oberschwester im Frankfurter Kinderhaus der weiblichen Fürsorge, ab 1913 bis zu ihrer Deportation Oberin. Das jüdische Kinderhaus nahm Waisen oder bedürftige Kinder aller Konfessionen bis zum sechsten Lebensjahr auf. Das änderte sich erst unter den Nazis, sodass nur noch jüdische Kinder aufgenommen werden konnten.

 

Bei den Kindern war Frida ausgesprochen beliebt. Sie nannten sie liebevoll „Obeli“.

 

Aller Wahrscheinlichkeit nach versuchten Frida Amram, ihre jüngere Schwester, deren Ehemann und ihre Mutter vor ihrer Verhaftung wie ihr Bruder und ältere Schwester zu emigrieren.

 

Frances Amram entkam in die USA. Der Bruder befand sich 1941 noch in der Schweiz. Frida und Goldine schrieben 1941 regelmäßig an ihn nach Zürich. Auf diesem Wege drückte Frida noch die Hoffnung aus, dass Ende des Jahres die Familie wieder vereint sei.

 

Nach Auswertung ihrer Korrespondenz im Dokumentenarchiv von YAD VASHEM liegt die Vermutung nahe, dass sie nach Palästina emigrieren wollten. Zumal es bereits ihrer Schwester und Schwager gelungen war, die Neffen nach Palästina zu schicken.

 

Anscheinend hatte Frida sogar 1941 eine Passage in Aussicht, empfand diese aber als zu schlecht. Es muss allerdings dazu bemerkt werden, dass sie in der gleichen Karte an ihren Bruder berichtete, dass ihre Mutter mit einer Blinddarmentzündung im Krankenhaus gelegen und alles gut überstanden hatte und sich nun erholte. Das könnte eventuell ein Grund gewesen sein, schlechte Reisebedingungen aus Rücksicht auf den gesundheitlichen Zustand der Mutter nicht zu ergreifen.

 

Frieda Amram wurde 1942 denunziert und am 25.7.1942 ab Frankfurt am Main in das KZ Ravensbrück verschleppt. Laut ihrem Neffen Jechiel Hirschberg, der in Tel Aviv in Israel lebt, hatte man Frida Amram beschuldigt, Essen für die Kinder gehamstert zu haben. Das führte zu ihrer Verhaftung und war wohl der Hintergrund für die Überstellung als „Politische“ in das KZ Ravensbrück.

 

Angesichts der katastrophalen Versorgungslage der jüdischen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt könnte der Vorwurf eventuell insoweit zutreffend sein, dass sie mit allen Mitteln versuchte, Nahrung für ihre Schützlinge zu bekommen. Denn mit dem zunehmenden Naziterror hatte sich die Lage im Kinderhaus massiv zugespitzt.

 

Immer mehr Kinder wurden abgegeben, weil Eltern ihre Kinder nicht mehr selber versorgen konnten, den Wohnraum verloren hatten, verschleppt oder verhaftet waren, sie ihre Kinder im Umfeld vor Schikanen und Angriffen nicht schützen konnten oder weil die Hoffnung bestand, sie so vor einer Deportation bewahren zu können.

 

Viele Kinder waren schwer traumatisiert. Personell war man bereits mehr wie am Limit.

 

Dazu kam dann im April 1942 die zwangsweise Schließung des jüdischen Kinderhauses in Neu Isenburg. Frida musste nun auch diese Kinder auffangen und aufnehmen. Die Versorgungslage war in dem restlos überfüllten Kinderhaus mehr als kritisch.

 

Allerdings war dennoch der wahre Grund für die Denunziation wohl eher, dass sich die Nazis das Gebäude unter den Nagel reißen wollten und es bereits Kaufverhandlungen gab.

 

Eine Kriminalisierung der Oberin war öffentlichkeitswirksam, um das Kinderhaus in Misskredit zu bringen. Die Entfernung der Leitung versprach geringere Proteste bei der Auflösung des Hauses. Man kann also getrost davon ausgehen, dass die angebliche „Hamsterei“ vorgeschoben war.

 

Für ihre Familie galt Frida ab der Verhaftung als verschollen. Erst Jahre nach ihrem Verschwinden erfuhren überlebende Familienangehörige, was mit ihr geschah.

 

Im Oktober 1942 wurde Frida Amram im KZ Ravensbrück auf die Todesliste gesetzt und in das KZ Auschwitz deportiert, wo sie 8.10.1942 ermordet wurde.

 

Heute erinnern Stolpersteine vor dem ehemaligen Kinderhaus an Frida Amram und ihre Mutter, an ihre Schwester Goldine und deren Ehemann. Außerdem wird an das ehemalige Kinderhaus durch den „Platz der vergessenen Kinder“ er-innert, auf dem sich eine bronzene Skulptur als Denkmal befindet. Das Denkmal stellt einen Dreidel dar, ein Kinderspiel zum jüdischen Lichterfest Chanukka.

 

Quellen: Frankfurt.de; myheritage.de, YAD VASHEM; Bundesarchiv Gedenkbuch; Geni.com; Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich (statistik-des-holocaust.de); www.platz-der-vergessenen-kinder.de


 

Franz Amreiter

 

Franz Amreiter arbeitete als Krankenpfleger in der Heil- und Pflegeanstalt Gugging. In der Nazizeit wurden in dieser Anstalt im Rahmen der Aktion T4 über 2000 Menschen ermordet. Hauptverantwortlich dafür war der Anstaltsleiter Emil Gelny. Er ermordete seine Patienten mit Medikamenten oder mit Starkstrom. Außerdem überstellte er Patienten in die Mordfabrik Schloss Hartheim bei Linz.

Zwei Krankenschwestern aus dieser Pflegeeinrichtung hatten sich hilfesuchend an Kaplan Müller aus Wien gewandt und ihm berichtet, dass Gelny während seiner Visiten Patienten zur Ermordung auswählte und von den Krankenschwestern verlangte, die Mordaufträge durchzuführen. Der Kaplan ermunterte sie zum „Zivilen Ungehorsam“.

 

Die Krankenschwestern blieben ab da den Visiten fern, sodass sie auch keine Mordaufträge entgegennehmen konnten. Bereitgestellte Medikamente zur Tötung von Patienten wurden einfach in den Ausguss gekippt. Sie drohten mit sofortiger Kündigung bei den Versuchen, sie zu Mordgehilfen zu machen. Angesichts des krassen Mangels an Pflegekräften machten diese Drohungen Eindruck. Franz Amreiter folgte dem Beispiel seiner Kolleginnen. Es war auch mit sein Verdienst, dass das Pflegepersonal dieser Abteilung Gelny die Stirn bieten konnte und sich nicht in das Verbrechen mit hineinziehen ließ.

 

Umso höher ist dieser Widerstand zu bewerten, weil es leider auch Pflegekräfte gab, die sich nicht widersetzten und somit auch Druck auf die Kollegen und Kolleginnen ausübten. 1947 wurden im sogenannten „Gelny-Prozess“ vier Krankenschwestern und fünf Pfleger wegen Beihilfe zum Mord zu Haftstrafen verurteilt. Als Rechtfertigung für ihre Mitwirkung gaben sie an, dass sie aus Angst vor einer Anzeige oder Abschiebung in ein KZ gehandelt hätten, womit Gelny stets gedroht habe. Gelny selber entzog sich übrigens einer Verurteilung durch Flucht ins Ausland.

 

Franz Amreiter bewies, dass man sich sehr wohl wehren konnte. Genauere Daten über ihn und seinen weiteren Lebensweg konnte ich bisher nicht ermitteln.

 

Quellen: Gerhard Fürstler: Krankenpflege in der Zeit des Nationalsozialismus, Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband, 03.02.2005; Diplomarbeit „Die Heil- und Pflegeanstalt Gugging während der NS-Zeit“, Angela Danbauer


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