Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


Аlexandra Fjodorowna Dejewa, geb. Gaiwanenko

 

Аlexandra wurde 1923 in einem Dorf Jurino geboren und absolvierte in Rostow am Don eine Ausbildung zur Krankenschwester.

 

Sie begleitete freiwillig ihren Vater Sascha Gaiwanenko in den Krieg, der als Feldscher eingesetzt war. Alexandra geriet in Gefangenschaft und wurde zunächst in einem Gefängnis in Simferopol auf der Halbinsel Krim interniert. Dort traf sie inhaftierte Ärztinnen und Pflegekräfte, die für die Rote Armee überwiegend im Sanitätsdienst der Schwarzmeerflotte und in der Küstenarmee gedient hatten.

 

Nachdem die Frauen sich weigerten, Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb zu leisten, wurde Alexandra mit etwa 500 Leidensgenossinnen in das KZ Ravensbrück deportiert. Die Rotarmistinnen bildeten dort unter der Leitung von Jewgenia Lasarewna Klemm (siehe dort) eine Widerstandsgruppe und es gelang ihnen, dreizehn Kinder in ihrer Baracke zu schützen.

 

Im KZ Ravensbrück befand sich Alexandra ab dem 27.2.1943 bis zu ihrer Befreiung am 28.4.1945. Über ihren weiteren Lebensweg bin ich bisher leider nicht informiert.

 

Quellen: „Ravensbrückerinnen“ (Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten), Hg. Jacobeit, Brümann-Güdter, ISBN 10: 3894681632, ISBN 13: 9783894681630; „Kriegsgefangene Rotarmistinnen im KZ“ Sowjetische Militärmedizinerinnen in Ravensbrück, Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst 2016


 

Louis Demajo

 

Louis Demajo wurde am 30.11.1896 in Wien in Österreich geboren. Der Arzthelfer war im belgischen SS-Sammellager Mechelen als sogenannter Staatenloser interniert. Mit dem Transport XIX unter der Nummer 201 wurde er am 15.1.1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Es muss davon ausgegangen werden, dass er ermordet wurde.

 

Ich danke für die Recherche Frau Laurence Schram vom Jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseum (JDWM) in der ehemaligen Mechelner Dossinkaserne.


 

Max Demmel

 

Max Demmel wurde am 4.9.1912 in Ettringen, Landkreis Unterallgäu, geboren. Sein Vater war der Schneider Max Demmel, seine Mutter die Modistin Viktoria Demmel, geborene Böck. Die Familie zog zwischen 1916 und 1919 nach Mickhausen, ein kleines Dorf im Landkreis Augsburg.

Max hatte noch einen älteren Stiefbruder, einen jüngeren Bruder und drei jüngere Schwestern. Zwei weitere Geschwister waren kurz nach der Geburt gestorben. Seine Kindheit war geprägt durch Armut. Das Einkommen seines Vaters als Schneider reichte nicht aus, die kinderreiche Familie ausreichend zu ernähren, sodass die Geschwister bei den größeren Bauernhöfen oft um Lebensmittel baten. Bald trugen die Kinder zum Familieneinkommen bei durch Auftritte als Musiker. Bis auf den Stiefbruder waren die Demmelkinder sehr musikalisch. Max Demmel absolvierte eine kaufmännische Berufsausbildung, arbeitete aber auch zeitweise als Orchestermusiker und Stehgeiger.

 

Später berichtete Max Demmel, dass er als Katholik sich nicht zum Nationalsozialismus hingezogen fühlte, aber aufgrund seiner für damalige Verhältnisse überdurchschnittlichen Körpergröße zur Waffen-SS eingezogen wurde. 1940 nahm er an der Schlacht um Dünkirchen teil und war auch in Südwestfrankreich am Golf von Biscaya. Nach einer Verwundung wurde er zum Sanitäter ausgebildet. Vermutlich kam er durch diese Verwundung in das Konzentrationslager Flossenbürg. Dort arbeitete er zunächst zeitweise in der Poststelle. Über das Telefon lernte er Gertrud Sendlbeck kennen, die in Floß bei der Post angestellt war. Im Mai 1942 heirateten sie.

 

Durch diese Heirat bekam Max Demmel massive Probleme. Nicht weil er heiratete, sondern wie er heiratete. Sein Vater hatte die Zivilkleidung seines Sohnes verkauft. Als gläubiger Katholik konnte Max jedoch nicht auf die kirchliche Trauung verzichten. Also erschien er in seiner SS-Uniform vor dem Traualtar. Das Verhältnis der Nazis zur katholischen Kirche war bereits extrem zugespitzt, sodass Max Demmel für diesen Affront abgestraft und für einige Monate nach Herzogenbusch in Holland strafversetzt wurde. 1943 war er wieder bei seiner Frau in Floß. Das Ehepaar bekam einen Sohn. Im KZ Flossenbürg war er nun für das Krankenrevier zuständig.

 

Das "normale" SS-Personal dort kannte keine Skrupel. Sie quälten die Häftlinge und bereicherten sich immer wieder am Eigentum der Gefangenen, verschafften sich ihre Arbeitskraft für private Zwecke, entwendeten KZ-Zuwendungen wie Lebensmittel, Kleidung, Gerätschaften. Ein SS-Mann verschwand mit der Geldkassette des Lagers. Die SS-Ärzte, die die medizinische und pflegerische Behandlung der Gefangenen eher boykottierten anstatt zu fördern, brannten sich vom Alkohol des Krankenreviers Schnaps. Im Mai 1944 übernahm ein Heinrich Schmitz das Kommando über das Krankenrevier, ein Arzt in Zivil, beschrieben als manisch-depressiv, als unkontrollierter Psychopath. 1943 war er selber Opfer der Zwangssterilisation geworden, ihm war die Zulassung als Arzt entzogen worden. Danach stellte man ihn vor die Wahl, weiterhin in einem Nervenkrankenhaus verwahrt zu werden oder als Arzt in einem Konzentrationslager zu arbeiten.

 

Schmitz setzte sich gerne in Szene. Lud Kommandant, Schutzlagerführer und andere Offiziere zu Operationen ein, die er kettenrauchend vor dem saufenden und qualmenden Publikum durchführte. Oft genug überflüssige Operationen, die meist tödlich endeten. Seine Patienten verhöhnte, erniedrigte, demütigte er. Er förderte absichtlich die Infektion durch Typhus im Lager.

 

Max Demmel versuchte innerhalb seiner Möglichkeiten Widerstand zu leisten. So schob er beispielsweise den Jungen und Jugendlichen, die im Block 19 untergebracht waren, bei Appellen klammheimlich kalziumhaltige Tabletten in den Mund. Vermutlich blieb seine Haltung nicht verborgen, denn es kam zu einem Zwischenfall. Ein anderer SS-Mann wollte ihn erschießen. Sein Leben hatte er der Geistesgegenwart eines anderen SS-Mannes zu verdanken, der das Gewehr beiseite schlug, sodass die Kugel in die Decke ging.

 

Im April 1945 sollte das Konzentrationslager Flossenbürg nach Dachau verlegt werden. Max Demmel ließ sich von Häftlingen Substanzen spritzen, mit denen er eine Erkrankung vortäuschen konnte und blieb in Flossenbürg. Am 16.4.1945 beschossen Tiefflieger der Alliierten auf dem Bahnhof Floß den Häftlingszug nach Dachau. Max organisierte ein Fahrzeug und brachte die verwundeten und toten Häftlinge des Angriffs in das Konzentrationslager zurück. Ihm war klar, dass versprengte oder zurückkehrende SS-ler ihn dafür an die Wand gestellt hätten. Im Konzentrationslager pflegte er die Verletzten und assistierte den inhaftierten Ärzten Dr. Alain Legeais und Dr. Polak bei den Operationen.

 

Nach der Befreiung geriet Max Demmel in Kriegsgefangenschaft. Vermutlich war er im Gefangenenlager Weiden. Denn dort entstand durch einen Mitgefangenen eine Zeichnung von ihm. Seine sehr kurze Inhaftierungszeit als SS-Mitglied lässt sich nur dadurch erklären, dass ehemalige Häftlinge aus dem KZ Flossenbürg für ihn aussagten. Die Familie Demmel zog nach der Kriegsgefangenschaft nach Mickhausen, wo das Ehepaar zwei weitere Söhne bekam. Der Neuanfang war schwer. Aufgrund seiner früheren SS-Zugehörigkeit fand er zunächst keine Arbeit. Immer wieder wurde Max Demmel von den Amerikanern zur Spruchkammer vorgeladen, wurde mehrmals nach Dachau gebracht. Dort sagte er als Zeuge der Anklage bei den Verhandlungen in Dachau über die Zustände im KZ Flossenbürg aus.

 

Er blieb nach dem Krieg mit ehemaligen gefangenen Pflegern und Ärzten aus dem KZ Flossenbürg in Kontakt. Sie setzten sich für ihn ein, intervenierten bis in Regierungsstellen, versuchten nun ihm zu helfen, legten ihm nahe, nach Frankreich überzusiedeln, damit er es leichter habe. Max Demmel blieb in Mickhausen. Ende der 40er oder Anfang der 50er Jahre legte er das Staatsexamen als Krankenpfleger ab. Danach arbeitete er in einem Altersheim in seinem Heimatort im ehemaligen Fuggerschloss.

 

 

Nebenbei pflegte er wieder sein Hobby Musik. Er gab Musikunterricht für Geige, Mandoline und Gitarre und konnte so seinem Sohn Gymnasium und Internat in Augsburg finanzieren. Mit seinen Geschwistern und anderen Musikern gründete er eine Tanzkapelle, die bei Tanzveranstaltungen, Hochzeiten und Faschingsbällen aufspielte. Nach dem Tod seines Bruders und Ende der Tanzkapelle übernahm er die Leitung des Kirchenchores. Seine Frau unterstützte ihn als Organistin. Später leitete er noch den Männerchor im Nachbardorf und einen Jugendchor.

 

Mitte der 70er Jahre besuchte er in Mutters bei Innsbruck Kurt Schuschnigg. Dieser war von 1934 bis 1938 österreichischer Bundeskanzler gewesen. Kurt Schuschnigg war unter anderem auch im KZ Flossenbürg inhaftiert gewesen. Dieser Besuch war einer der wenigen Hinweise auf die Vergangenheit von Max Demmel.

 

Nach der Auflösung des Altersheimes in Mickhausen arbeitete er bis zur Pensionierung in Augsburg. Am 30.9.1982 starb Max Demmel nach einem langen Krebsleiden in Mickhausen.

 

Über seine Zeit im Konzentrationslager Flossenbürg hatte er überwiegend geschwiegen. Seine dortige Haltung, seine Zivilcourage kehrte er nie heraus. Er war ganz einfach in der SS-Uniform Mensch geblieben und hatte versucht, sich treu zu bleiben. Anscheinend war es für ihn eine Selbstverständlichkeit. Der Blick auf die Geschichte lehrt etwas anderes.

 

Quellen: Berichte von Überlebenden, unter anderem Jack Terry; Maximilian Demmel (Sohn von Max Demmel) - Ich danke besonders der Familie Demmel für die Lebensbeschreibung und das Bildmaterial.


 

 

 

 

 

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