Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


Hildegard Uebel

 

Hildegard Uebel arbeitete im Krankenhaus Moabit in Berlin. Bis Hitlers Machtergreifung arbeiteten in diesem Hause viele jüdische Ärzte. Sie war mit einem jüdischen Arzt befreundet und weigerte sich, diese Freundschaft zu lösen. Deshalb wurde sie im April 1933 im Zuge "der Säuberung" des Krankenhauses entlassen. Ihre Arbeitspapiere wurden von der Personalverwaltung einbehalten, was einem Berufsverbot gleichkam.

 

Quelle: Dr. Christian Pross; "Nicht misshandeln", ISBN 3-88725-109-1


 

Schwester Maria Euthymia oder Emma Üffing

 

Emma Üffing wurde am 8. April 1914 in Halverde, Kreis Steinfurt geboren. Mit 18 Monaten erkrankte sie an Rachitis, wodurch sich ihre Entwicklung verzögerte und Spätfolgen der Krankheit zurückblieben. Trotz dieser Beeinträchtigung arbeitete Sie auf dem Bauernhof, bis sie mit 17 Jahren beschloss, Ordensschwester zu werden.

 

Zunächst wurde sie Hauswirtschaftslehrling im Sankt Anna-Krankenhaus in Hopsten. Eine schwere Lungenerkrankung des Vaters zwang sie, die Ausbildung zu unterbrechen, um ihren Vater zu pflegen. Nach seinem Tod kehrte sie wieder in das Sankt Anna-Krankenhaus zurück. Im April 1934 bat Emma um Aufnahme in das Kloster. Zunächst wurde sie aufgrund ihrer körperlichen Schwächlichkeit abgelehnt, mit ihrer Beharrlichkeit bekam sie dann aber im Juli doch eine Zusage. Als Schwester Euthymia legte sie die staatliche Prüfung zur Desinfektorin ab und begann anschließend die Ausbildung zur Krankenschwester.

 

1936 wurde sie an das Sankt Vinzenz-Krankenhaus nach Dinslaken versetzt. Im September 1939 bestand Schwester Euthymia die Krankenpflegeprüfung. Ab Februar 1943 musste das Sankt Vinzenz-Krankenhaus kranke Kriegsgefangene und Fremdarbeiter aus dem naheliegenden Lager in Walsum aufzunehmen.

 

Schwester Euthymia pflegte nun Franzosen, Belgier, Holländer, Italiener, Russen, Ukrainer und Polen. Sie unterschied nicht nach Rasse, Nationalität oder Religion.

Das Krankenhaus war krass überbelegt und die Bedingungen katastrophal. Mit unermüdlichen Arbeitseifer versuchte Schwester Euthymia, die Kriegsgefangenen menschenwürdig zu versorgen. Ein besonderes Problem war die Ernährung. Die Rationen für ihre Patienten waren so gering bemessen, dass sie um Lebensmittel betteln musste, die sie dann in sauberen Abfallbehältern verschwinden ließ. Aus diesen Verstecken konnten die Fremdarbeiter heimlich die Nahrungsmittel entnehmen. Unter ihren Augen ließ ein französischer Hilfspfleger, Pfarrer Emile Eche, dringend benötigte Verbandstoffe und Medikamente für das Ausländerlager verschwinden. Die Schwester organisierte heimlichen geistigen Beistand für die Gefangenen, indem sie den Geistlichen Heinrich Theisselmann illegal einschleuste.

 

Schwester Euthymias Wirken blieb nicht verborgen. Immer wieder wurde sie wegen "Feindbegünstigung" zu Verhören vorgeladen, kontrolliert, bespitzelt. Und unbeirrt machte sie weiter. Während der Bombardierungen blieb sie bei den nicht transportfähigen Patienten in den Zimmern statt im Luftschutzkeller, wurde mehrmals verschüttet.

 

Ein französischer Kriegsgefangener berichtete später: "Dort im Vinzenz-Hospital gab es keine SS mehr, sondern wahre christliche Nächstenliebe. Dort wurde ich wieder als menschliches Wesen behandelt und mit Güte. Ich danke der Schwester Euthymia, die sehr gut war."

 

Am 23.3.1945 wurde das Krankenhaus durch Bomben zu 90% zerstört. Schwester Euthymia, die aufgrund ihrer körperlichen Konstitution zuerst von der Ordensleitung 1934 abgelehnt worden war, karrte unentwegt bis in die Nacht die Schwerkranken in einer Schubkarre zum nächsten Hilfskrankenhaus. Am nächsten Tag brach sie mit hohem Fieber zusammen. Nach dem Krieg kehrte sie 1948 nach Münster zurück und übernahm die Leitung der Wäscherei des Mutterhauses und der Raphaelsklinik. Für sie zunächst eine harte Entscheidung, da sie mit Leib und Seele Krankenschwester war, schickte sie sich dennoch klaglos in diese Entscheidung. Am 9.9.1955 starb sie durch ein Krebsleiden.

 

Vielleicht wäre diese großartige Krankenschwester vergessen worden. Aber viele Menschen baten nach ihrem Tod um ihre Fürsprache. Die Krankenschwester, die auch in Zeiten der größten Not und Überarbeitung stets freundlich blieb und ein Lächeln und gutes Wort hatte, übte auf ihre Mitmenschen eine nachhaltige Faszination aus. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Zentralfriedhof in Münster. Schwester Euthymia wurde am 7. Oktober 2001 von Papst Johannes Paul II. in Rom selig gesprochen. Ihr Gedenktag ist der 9. September.

 

Quelle: Clemensschwestern


 

Gräfin Alexandrine Üxküll - Gyllenband

 

Alexandrine wurde am 30.6.1873 in Wien geboren. Ihr Vater war Offizier der österreichisch-ungarischen Armee, Alfred Richard August Graf Üxküll-Gyllenband, der 1838 geboren wurde und 1877 starb. Ihre Mutter war Valerie Gräfin Hohenthal, geboren 1841, die ihren Mann nur um ein Jahr überlebte. Die ersten Kindheitsjahre verlebte sie auf den Besitztümern der Familie im ungarischen Güns. Mit fünf Jahren wurde sie Vollwaise und kam mit drei Geschwistern zu ihrer Pflegemutter, Gräfin Olga Üxküll-Gyllenband, nach Württemberg, wo sie weiterhin unbeschwert aufwachsen konnte. Sie lernte neben dem adligen Hofleben auch Wohlfahrtsunternehmungen kennen und entschloss sich unter diesem Einfluss, Krankenpflege zu lernen.

 

1897 begann sie eine Ausbildung als Johanniter-Schwester bei den Olga-Schwestern in Stuttgart. Nach mehreren Arbeitsstellen im In- und Ausland wurde sie 1903 Oberschwester im städtischen Krankenhaus Wiesbaden.

 

1908 wurde Alexandrine Oberin des Roten Kreuzes. Im I. Weltkrieg gehörte sie zu den wenigen deutschen Krankenschwestern, die unter dem Internationalen Roten Kreuz deutsche Kriegsgefangene in Russland betreuen konnte. Dabei lernte sie Elsa Brandström kennen und blieb mit ihr lebenslang freundschaftlich verbunden. 1917 musste sie zwangsweise ihre Arbeit einstellen und nach Deutschland zurückkehren.

 

Im Frühjahr 1918 reiste sie wieder in das nun bolschewistische Russland und arbeitete unter schwierigsten Bedingungen für die deutschen Kriegsgefangenen weiter. Eine gefährliche Arbeit in der bürgerkriegserschütterten Sowjetunion. Ende 1919 kehrte sie nach Deutschland zurück. Ihr Ansehen, was sie sich in den letzten Jahren erworben hatte, führte dazu, dass sie 1921 nach Oberschlesien entsandt wurde, wo Gebietskonflikte zwischen Deutschland und Polen zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen geführt hatten. 1922 war ihre Aufgabe dort beendet. Danach arbeitete sie bis 1929 in leitender Stellung in den Sanatorien, die Elsa Brandström nach ihrer Rückkehr aus Russland für die heimgekehrten deutschen Soldaten gegründet hatte. Anschließend wurde sie Oberin der Rot-Kreuz-Schwesternschaft in Berlin-Lichterfelde.

 

Eigentlich war sie bereits pensioniert, als sie Oberin der Münchner Schwesternschaft wurde. Mit dieser Schwesternschaft hatten die braunen Machthaber ein Problem, denn Alexandrine von Üxküll-Gyllenbands Vorgängerinnen Herta Marie von Ayx, Hannah Weller und Marie Birkner waren samt und sonders in Ungnade gefallen. Anscheinend war sie auch nicht dazu geeignet, die geforderte Linientreue herzustellen, denn es wurde in München nur ein kurzes Zwischenspiel.

 

Es verwundert nicht, denn ihr Bruder hieß Nikolaus Graf von Üxküll-Gyllenband. Er stand anfangs den Ideen des Nationalsozialismus nahe und trat auch in die NSDAP ein. Die politischen Realitäten entsprachen jedoch nicht seiner Auffassung von Anstand, Ehre und Tradition. Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg, Berthold von Stauffenberg und Cäsar von Hofacker waren ihre Neffen. Alle vier Männer waren an dem Attentat und versuchten Staatsstreich vom 20.7.1944 beteiligt und wurden zum Tode verurteilt.

 

Die braunen Machthaber reagierten heftig. Heinrich Himmler ordnete Sippenhaft an und verkündete: "Die Familie Graf Stauffenberg wird ausgelöscht werden bis ins letzte Glied." Die Frauen, Kinder über 15 Jahre und weitere Verwandte wurden verhaftet, viele kamen in Konzentrationslager. Die jüngeren Kinder wurden in ein Kinderheim nach Bad Sachsa verschleppt. Auch Alexandrine Gräfin von Üxküll-Gyllenband wurde durch die Gestapo verhaftet und nach Balingen geschafft, wo sie in Einzelhaft blieb. Nach sechs Wochen wurde sie eher überraschend entlassen, durfte aber auf Befehl der Gestapo nicht nach Schloss Lautlingen zurückkehren, sondern musste in das zuvor beschlagnahmte Schloss nach Jettingen. Ihr Vermögen war ebenfalls beschlagnahmt worden.

 

Ende Mai 1945 kam Alexandrine von Üxküll-Gyllenband wieder ins Schloss Lautlingen, dass durch Flüchtlinge inzwischen überbelegt war. Sofort begab sie sich auf die Suche nach den Kindern ihrer Neffen. Sie erfuhr, dass ihr letzter Aufenthalt in Bad Sachsa im Harz war. Angeblich sollten sie im März unter fremdem Namen mit unbekanntem Ziel weggekommen sein. Das war auch geplant gewesen, wurde aber durch Tieffliegerangriffe vereitelt. Unter größten Schwierigkeiten gelang es ihr, ein Auto zu besorgen. Ein amerikanischer Vertreter des Roten Kreuzes, also der Organisation, für die sie jahrelang tätig war, erklärte ihr kurz: „Für deutsche Kinder sind wir nicht zuständig“. Ein französischer Offizier half schließlich und ein Militärfahrzeug brachte sie und ihre Freundin Melitina von Podolinsky, die sie begleitete, nach Bad Sachsa.

 

Die Freundin übernahm die drei Söhne von Claus von Stauffenberg und fuhr mit dem Auto zurück nach Lautlingen. Alexandrine konnte dann einen Bus ausfindig machen für den Rücktransport der anderen Kinder. Sie brachte die Hofacker-Kinder nach Reichenbach und traf nach drei Tagen mit den Kindern von Berthold von Stauffenberg und Claus von Stauffenbergs Tochter in Lautlingen ein. Die Mütter trafen erst später ein. „Die Oberin“, wie Alexandrine von den Lautlinger Mitbürgern genannt wurde, war nun ersteinmal damit beschäftigt, die Kinderschar mit ihrer Schwester Gräfin Caroline von Stauffenberg, der Großmutter der Kinder, zusammen zu versorgen. Dankbar nahmen sie Hilfen aus dem Dorf an, um die schwierige Ernährungslage für die vielen Personen zu meistern.

 

Am 25.5.1963 starb Gräfin Alexandrine Üxküll-Gyllenband in Grünwald bei München. Bestattet wurde sie am 28.5.1963 im Familiengrab auf dem evangelischen Friedhof in Satteldorf.

 

Quellen: Peter Thaddäus Lang, Schwerste Zeiten, Gräfin Alexandrine Üxküll – Gyllenband, Schwesternschaft München, Bayerisches Rotes Kreuz e.V.


 

Maria Ulrich

 

Die Krankenpflegerin Maria Ulrich arbeitete in der Heil- und Pflegeanstalt Gugging. Trotz der massiven Drohungen durch den Anstaltsarzt Dr. Gelny mit Anzeige als Staatsfeind und KZ erklärte sie ihm direkt, dass sie sich weigere, seine überdosierten Medikamente zu verabreichen. Er ging übrigens nicht weiter trotz seiner Androhungen gegen sie vor.

 

Quellen: Gerhard Fürstler: Krankenpflege in der Zeit des Nationalsozialismus, Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband, 03.02.2005; Diplomarbeit „Die Heil- und Pflegeanstalt Gugging während der NS-Zeit“, Angela Danbauer


 

Chuma Ulryck, geb. Blumenzweig

 

Chuma Blumenzweig wurde am 6.7.1892 in Polen geboren. Als Geburtsort wurde eine Ortschaft namens Jamostz auf der Deportationsliste eingetragen, die es aber nach Recherchen nicht gibt. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Geburtsort falsch geschrieben wurde. Eventuell handelte es sich um die Stadt Zamość. 

 

Die Krankenschwester wurde in der Deportationsliste unter ihrem Mädchennamen eingetragen, aber Chuma war verheiratet und verwitwet.

 

Wie viele andere auch wurde sie von den Nazis in Belgien als staatenlos erklärt, um Interventionen anderer Länder zu verhindern.

 

Sie war im SS-Sammellager Mecheln und wurde mit Transport III unter der Nummer 990 am 15.8.1942 in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert.

 

Chuma Ulryck überlebte den Holocaust nicht.

 

Quellen: Ich danke für die Recherche Frau Laurence Schram vom Jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseum (JDWM) in der ehemaligen Mechelner Dossinkaserne; Yad Vashem


 

Helena Unger, geb. Eckstein

 

Helena Eckstein wurde am 3.9.1890 in Wien geboren. Sie war mit Oskar Unger verheiratet. Die Krankenschwester war im SS-Sammellager Mechelen und wurde mit dem Transport III am 15.8.1942 unter der Nummer 282 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Für die Nazibehörden galt sie als Staatenlose. Bis jetzt ist ihr weiteres Schicksal ungeklärt, doch ist zu befürchten, dass Helena Unger den Holocaust nicht überlebte.

 

Ich danke für die Recherche Frau Laurence Schram vom Jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseum (JDWM) in der ehemaligen Mechelner Dossinkaserne.


 

Pater Engelmar oder Hubert Unzeitig

 

Hubert Unzeitig wurde am 1.3.1911 in Greifendorf bei Zwittau geboren. Bei den Mariannhiller Missionaren in Reimlingen bei Augsburg legte er 1934 sein Abitur ab und trat am 1.5.1935 in den Orden ein. Er erhielt den Ordensnamen Engelmar. Am 6.8.1939 wurde er zum Priester geweiht.

 

1940 übernahm er als Pfarrverweser die Pfarrei Glöckelberg bei Krummau, das heutige Ceský Krumiov. Pater Engelmar bekam bald mit den Nazis Probleme. Spitzel denunzierten ihn als Judenverteidiger. Angeblich hätte er sich "heimtückisch" über Staat und Partei geäußert. Die Gestapo griff am 21.4.1941 zu und verhaftete den Pfarrer in seinem Pfarrhaus. Nach sechs Wochen Untersuchungshaft im Linzer Gefängnis verlegte man ihn ins Konzentrationslager Dachau.

 

Trotz der unmenschlichen Bedingungen im Lager war Pater Engelmar in der heimlichen Lagerseelsorge tätig. Er bemühte sich besonders um russische Mithäftlinge und konnte ihre Sprache bald fließend sprechen. Immer wieder verschenkte er sein Essen, um Mithäftlinge vor dem Hungertod zu bewahren. Im Dezember 1944 brach in Dachau eine Flecktyphus-Epidemie aus. Pater Engelmar konnte es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, die Kranken und Sterbenden ohne Hilfe liegen zu lassen und ging freiwillig trotz der Ansteckungsgefahr in die Seuchenbaracken, um seine Mithäftlinge zu pflegen.

 

An seine Schwester Adelhilde-Regina schrieb er: Liebe verdoppelt die Kräfte. Sie macht innerlich frei und froh. Der Pater hatte sich da bereits infiziert und wurde am 20.2.1945 mit Flecktyphus im fortgeschrittenen Stadium selber in die Krankenbaracke eingeliefert. Pater Engelmar starb am 2.3.1945.

 

Sein Mithäftling Pfarrer Richard Schneider konnte erreichen, dass sein Leichnam einzeln verbrannt und die Asche geborgen wurde. Es gelang, seine Asche aus dem Lager herauszuschmuggeln. Ende März 1945 wurde die Asche den Mariannhiller Missionaren in Würzburg übergeben. In aller Heimlichkeit wurde sie am Karfreitag, den 30.3.1945, in der Gruft des Ordens auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt. Am 20.11.1968 wurde die Urne in die erste Seitenkapelle der Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche umgebettet und eine Gedenkstätte errichtet. Das Seligsprechungsverfahren wurde 1991 eingeleitet. Seit dem Jahr 2000 zählt die katholische Kirche Pater Engelmar offiziell zu den Märtyrern des 20. Jahrhunderts.

 

Quellen: Eine Spur der Liebe hinterlassen, ISBN: 3-922267-27-0; Ökumenisches Heiligenlexikon; zwittau.de: Pater Engelmar Unzeitig aus Greifendorf; Bistum Würzburg: Pater Engelmar (Hubert) Unzeitig (1911-1945)


 

Fanny Hedwig Ury

 

Fanny Hedwig Ury, geborene Ullmann, wurde am 26.2.1894 in Ulm geboren. Ihr Vater, ein Kaufmann, hatte mit seinem Bruder und Schwager in Ulm eine Großhandelsfirma für Kleiderstoffe aufgebaut. Ihre Mutter Betty, geborene Winkler, stammte aus einer angesehenen Ulmer Kaufmannsfamilie. Hedwig hatte eine jüngere Schwester, Marie Bergman, genannt Mariele. Die Eltern legten großen Wert auf Bildung und schickten ihre Töchter auf die Höhere Mädchenschule.

 

Hedwig lernte Dr. med. Sigmar Ury, geboren 1880 in Berlin, kennen, der zunächst als Assistenzarzt am Städtischen Krankenhaus in Ulm arbeitete. Als Patriot meldete er sich im I. Weltkrieg 1914 als Sanitätsoffizier an die Front. Während eines Fronturlaubes 1915 heirateten sie. Nach Kriegsende eröffnete das Ehepaar eine Arztpraxis. Hedwig unterstützte ihren Mann in der Praxis, übernahm die Organisation und assistierte ihm. 1920 kam ihr Sohn Hans Peter zur Welt.  

 

Ihr Mann sang zwar im Synagogenchor, aber die religiösen Bindungen waren eher leger. Es wurde kein koscherer Haushalt geführt und ihr musikalischer Sohn erhielt Klavierunterricht bei Fritz Hayn, Organist und Leiter der Kirchenmusik am Ulmer Münster. Die Familie galt als völlig assimiliert und hatte einen großen Freundeskreis ungeachtet der religiösen Zugehörigkeit. Nach der Machtübernahme der Nazis wuchs jedoch auch der Druck auf diese Familie des ehemaligen Frontkämpfers und Sigmar Ury wurde 1935 namentlich im Nazi Hetzblatt „Stürmer“ angegriffen. Dennoch dachte die Familie nicht an Emigration, hoffte darauf, dass der Spuk bald ein Ende hätte.

 

Die Urys mussten die Praxis schließen, Sigmar erkrankte an Nierenkrebs. Hans Peter konnte noch mit Hilfe eines Quäker-Ehepaares nach England entkommen. Das Ehepaar wurde mit anderen Leidensgenossen in einem Judenhaus zusammengepfercht. Dort musste Hedwig ihren kranken Mann und ihren hilflosen Vater pflegen, irgendwie Nahrung, Medikamente und Pflegemittel organisieren. Ihr Vater starb Anfang 1941, kurz darauf am 10.5.1941 ihr Mann. Seine ehemaligen Kollegen, das Krankenhaus, in dem er mal gearbeitet hatte, versagte ihm jegliche medizinische Hilfe.

 

Ab September 1941 musste Hedwig den Judenstern tragen. Sie begann, im Altersheim Herrlingen zu arbeiten, anfangs in der Küche. Von dort wechselte sie in das jüdische Altenheim in Dellmensingen und wurde als Lernschwester geführt. Am 17. 8. 1942 verschleppten die Nazis Personal und alte Menschen auf den Killesberg nach Stuttgart. Viele der Betreuten waren dement, worauf keine Rücksicht genommen wurde. Am 22. 8. 1942 wurde das Pflegepersonal und die Betreuten mit dem Transport XIII/1 nach Theresienstadt deportiert.

 

In Theresienstadt arbeitete Hedwig weiter in der Pflege, unter anderem mit Resi Weglein. Im Sommer 1944 verbesserten sich kurz die Bedingungen in Theresienstadt durch einen verlogenen Propagandafilm. Nach Drehschluss setzten wieder verstärkt Deportationen nach Auschwitz ein. Am 19.10.1944 wurde sie zusammen mit Margarete Adelsheimer nach Auschwitz verschleppt. Resi Weglein begleitete sie noch in Theresienstadt bis zur Schleuse.

 

Im Sommer 1945 kam ihr Sohn Hans Peter als Dolmetscher für die amerikanische Armee zurück nach Ulm. Durch Resi Weglein erfuhr er, dass seine Mutter nach Auschwitz deportiert worden war. Die fehlende Registrierung in Auschwitz bedeutete, dass sie direkt nach der Ankunft ermordet wurde. Fanny Hedwig Ury wurde später für tot erklärt.  

 

Quellen: Yad Vashem; Gedenkbuch Bundesarchiv; Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich; Stolpersteine Ulm

 

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