Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


Anna Ackermann, geb. Lindeck

 

Die Jüdin Anna Lindeck wurde am 15.6.1894 in Kaiserslautern geboren. Sie war Tochter des am 14. Februar 1860 im saarländischen Sulzbach geborenen Fabrikanten Hans Lindeck (geb. Levy) und dessen Frau Rosalie Wolf.

 

Am 23. April heiratete sie den Apotheker Eugen Richard Ackermann. Dieser war Frontoffizier, der in voller nationaler Überzeugung für sein Vaterland in den Krieg zog.

 

Auch Anna fühlte sich als Patriotin und arbeitete deshalb als Rote-Kreuz-Schwester im Lazarett. Für diese Arbeit erhielt sie hohe Auszeichnungen. Ihre Begeisterung für den Krieg schwand. Als das junge Ehepaar im März 1918 ihr erstes Kind bekam, da kamen sie von ihrem ursprünglichen Plan ab und nannten es nicht wie geplant „Viktoria“, da sie nicht mehr an den Sieg glaubten, sondern „Irene“ um ihrer Friedenssehnsucht Ausdruck zu verleihen.

 

1932 kam ihr in der Deutschen Volkspartei wirkender Mann bei einem Unglück um Lebens.

 

Als 1933 die Nazis das Sagen hatten, wurde diese politische Entwicklung zu Beginn von ihr durchaus begrüßt, fühlte sie sich ja weiterhin dem Nationalen zugewandt. Es war nicht ungewöhnlich, dass viele deutsche Juden glühende Patrioten für ihr Heimatland Deutschland waren und anfangs deshalb die Gefahr durch die Nazis unterschätzten.

 

Aber die Nazis konnten der freigeistigen Deutschen nicht ihre jüdische Vergangenheit verzeihen.

 

In der Reichspogromnacht 1938 rückte auch in ihrem Haus ein SA Trupp an, um „Haussuchung" zu halten, Bücherschränke wurden umgeworfen und Einrichtungsgegenstände zerstört. Durch das beherzte Eingreifen einer mutigen Nachbarin im Zerstörungswahn gestört, zog die SA wieder ab. Anna Ackermann musste innerhalb weniger Stunden die Pfalz in Richtung „Rechtsrheinisches“ verlassen – mit dabei ihre jüngste Tochter Marianne, die gerade mal 12 Jahre alt war.

 

Anna ging nach Berlin. Wie alle jüdischen Frauen musste sie zusätzlich zu ihrem Vornamen den Namen Sarah führen, hieß also damals offiziell „Anna Sarah Ackermann“. Den „Judenstern“ musste sie nicht tragen, da ihr Mann „Arier“ und Frontkämpfer gewesen war, die Ehe galt als so genannte „privilegierte Mischehe“, obgleich ihr Mann gar nicht mehr lebte. Ihre Mutter Rosa Lindeck und Tante Frieda Reinstein wurden nach Theresienstadt deportiert und die Nazis ließen sie dort verhungern. Viele Verwandten und Freunde wurden ermordet, einige konnten auswandern. Anna wurde „dienstverpflichtet“ und musste in einer chemischen Reinigung arbeiten.

 

Von der Arbeit nach Hause heimkehrend, wurde sie im Juli 1943 von einer Kommunistin gewarnt. Die GESTAPO war in der Wohnung, um sie abzuholen. Anna Ackermann musste in die Illegalität abtauchen. Die Nazis bemächtigten sich ihres Kindes und verhörten sie 14 Tage in einem Sammellager, von wo aus auch Abtransporte in die Konzentrationslager stattfanden. Das Kind machte Fürchterliches durch, blieb aber standhaft und verriet seine Mutter nicht.

In insgesamt sechs unterschiedlichen illegalen Unterkünfte halfen ihr Deutsche mit vollkommen unterschiedlichen Weltanschauungen. Was sie aber alle gemeinsam hatten, war ihr gutes Herz, und ihr absolutes Unvermögen, Unrecht schweigend geschehen zu lassen. Sie retteten Anna Ackermann das Leben.

Anna Ackermann starb am 2. Mai 1982.

 

Verfasser des Artikels: Michael Quetting, Quelle Familienaufzeichnungen, Rechte für die Fotos bei Michael Quetting


 

Margarete (Grete) Adelsheimer, geb. Seligmann

 

Die jüdische Krankenschwester Margarete Seligmann, genannt Gretchen, wurde am 31.5.1886 in Wandsbek bei Hamburg geboren. Sie war die Schwägerin von Sara Adelsheimer. Im I. Weltkrieg arbeitete sie in der deutschen Sanitätsmission in Bulgarien, versorgte Verwundete an der Front, begleitete Lazarettzüge. Für ihren Einsatz wurde sie mit Orden und Ehrenabzeichen ausgezeichnet. Da sie in der Zeit ihres Einsatzes an Malaria erkrankte, bekam sie später eine Rente zuerkannt. Nach Kriegsende arbeitete sie im Jüdischen Krankenhaus Frankfurt.

 

1925 heiratete sie den Stuttgarter Religionsoberlehrer Alexander Adelsheimer. Ihr Ehemann brachte zwei Töchter mit in die Ehe. Alexander Adelsheimer starb 1933 nach langer Krankheit.

 

Die Töchter, die Grete als Mutter akzeptierten, konnten wie ihre Schwägerin nach Palästina auswandern. 1941 schrieb Grete ihnen nach Tel-Aviv, dass sie nach Theresienstadt käme.

 

Am 23.8.1942 traf sie im Ghetto Theresienstadt mit dem Transport XIII/I ein. In Theresienstadt arbeitete sie wieder als Krankenschwester und leitete eine Krankenstation.

 

Am 19.10.1944 wurde sie mit dem sogenannten Todestransport „Es 955“ nach Auschwitz verschleppt. Seit diesem Tage fehlt jedes Lebenszeichen von Margarete Adelsheimer.

 

Quellen: Stadtarchiv, Stuttgart, Staatsarchiv, Ludwigsburg, Hauptstaatsarchiv, Stuttgart; Maria Zelzer: Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden; Stolpersteine Stuttgart; Yad Vashem, Gedenkbuch Bundesarchiv; Familie Tenhumberg


 

Paula Adelsheimer

 

Die Säuglingskrankenschwester wurde am 3.9.1914 in Göppingen geboren. Ihre Eltern waren Leopold, geboren am 17.12.1874 und Ida, geborene Götz am 8.10.1887. Ihre Tante war Sara Adelsheimer (siehe Sara Adelsheimer).

 

1939 arbeitete sie im Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge. Anschließend war sie vermutlich in Stuttgart tätig. Von dort kam sie zurück nach Heilbronn in den Stadtteil Sontheim und arbeitete im jüdischen Altersheim „Landesasyl Wilhelmsruhe“ in der Hermann-Wolf-Straße 31 (siehe Johanna Gottschalk).

 

Das Altenheim beherbergte seit September 1939 Flüchtlinge aus der Pfalz, dem Saargebiet und aus Baden und war restlos überfüllt. Ab dem November 1940 begannen die Deportationen. Mitte November musste das Israelitische Asyl zwangsweise in das Haus Picard in der Lauffener Straße 12 in Sontheim umziehen.

 

Am 20.8.1942 wurde Paula ab Stuttgart mit den letzten Bewohnern des „Landesasyls Wilhelmsruhe“ zum Ghetto Theresienstadt mit dem Transport XIII/1-843 deportiert und kam am 22.8.1942 in Theresienstadt an. Es ist anzunehmen, dass sie in Theresienstadt weiterhin in der Pflege arbeitete.

 

Am 19.10.1944 wurde sie nach Auschwitz verschleppt. Seitdem fehlt jedes Lebenszeichen von Paula Adelsheimer.

 

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Israelitisches_Asyl_Sontheim; Yad Vashem, Gedenkbuch Bundesarchiv; Familie Tenhumberg


 

Sara Adelsheimer

 

Sara Adelsheimer wurde am 27.7.1877 in Jebenhausen bei Göppingen geboren. Ihre Eltern waren Salomon Löb Adelsheimer, geboren am 20.7.1836 in Jebenhausen, und Babette, geborene Weil am 17.12.1844 in Mühlen a. N. bei Horb am Neckar. Sara hatte drei ältere Geschwister Leopold, Mina und Moses und einen jüngeren Bruder Alexander.

 

Ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte Sara in Frankfurt am Main beim jüdischen Schwesternverein. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie in Frankfurt/M im ambulanten Dienst der Privat- und Armenpflege, aber auch stationär im Königswarter Hospital, dem Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde. Später arbeitete sie auch in dem neuen Jüdischen Krankenhaus in der Gagernstraße.

 

Im ersten Weltkrieg gehörte sie wie ihre Schwägerin Margarete Adelsheimer (siehe Margarete Adelsheimer) der deutschen Sanitätsmission in Bulgarien an. Sie versorgte dort Verwundete an der Front, begleitete Lazarettzüge und arbeitete im Lazarett. Für ihren dortigen Einsatz erhielt sie Orden und Ehrungen.

 

Später wurde sie Oberin des Frankfurter jüdischen Schwesternvereins.

 

Sarah Adelsheimer gelang um 1933 die Auswanderung nach Palästina, wo sie Mitte der sechziger Jahre in Tel Aviv starb.

 

Quelle: „Jüdische Pflegegeschichte / Jewish Nursing History – Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main“; Yad Vashem, Gedenkbuch Bundesarchiv


 

Alice Adler

 

Alice Adler wurde am 10.4.1925 in Wien geboren. Vermutlich war sie Österreicherin und hatte wie viele andere Menschen auch in Belgien Zuflucht gefunden. In dem kleinen Belgien lebten bei Kriegsbeginn etwa 66.000 jüdische Menschen. Lediglich 10% von ihnen besaßen die belgische Staatsangehörigkeit.

 

Wie Alice in das SS-Sammellager Mecheln in Belgien geriet, konnte bisher nicht geklärt werden. Es kann nur vermutet werden, dass sie eventuell während der zahlreichen Razzien aufgegriffen wurde.

 

Am 15.8.1942 wurde Alice Adler mit dem Transport V unter der Nummer 731 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Auf der Deportationsliste führten die Nazis Alice als „staatenlos“. Das war ein übliches Vorgehen der Nazibehörden bei allen jüdischen Menschen ohne belgische Staatsangehörigkeit. In dem Transport V oder „Kolonne V“ wurden 995 Menschen verschleppt, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche. Der jüngste Deportierte war der erst drei Monate alte Simon Lic.

 

Auf der Deportationsliste wurde vermerkt, dass Alice Krankenschwester sei. Angesichts ihres Alters ist es etwas erstaunlich. Eventuell war sie ja auch Krankenpflegeschülerin.

 

Bis jetzt ist das weitere Schicksal der 17jährigen Alice Adler ungeklärt, doch es ist zu befürchten, dass sie getötet wurde. Nur 27 Menschen überlebten aus diesem Transport, der am 17.8.1942 in Auschwitz eintraf. Da von Alice Adler nicht bekannt ist, dass sie in Auschwitz registriert wurde, muss man davon ausgehen, dass sie direkt nach der Ankunft in einer Gaskammer ermordet wurde.

 

Ich danke für die Recherche Frau Laurence Schram vom Jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseum (JDWM) in der ehemaligen Mechelner Dossinkaserne. http://www.cicb.be/


 

Andries Agtsteribbe

 

Andries Agtsteribbe wurde am 10.9.1886 in Amsterdam geboren. Er war mit Jane Agtsteribbe, geborene Espinoza am 9.3.1893, verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Hijman, geboren am 30.11.1919, und Jacob, geboren am 25.1.1943. Die Familie wohnte in Amsterdam, Christiaan de Wetstraat 53 II.

 

Seine Ehefrau starb bereits mit 47 Jahren am 19.9.1940 in Amsterdam. Unter welchen Umständen und ob ihr Tod mit den Nazis zusammenhing, konnte nicht geklärt werden. Er lernte dann Betsie, geborene Wolder am 31.5.1891 in Amsterdam, kennen und sie heirateten 1941.

 

Der Krankenpfleger, seine zweite Ehefrau und seine Söhne wurden in Auschwitz ermordet. Andries Agtsteribbe und seine Frau starben am 10.9.1943.

 

Quellen: Joods Monument, Yad Vashem


 

Samuel Agsteribbe

 

Samuel Agsteribbe wurde am 29.9.1904 in Amsterdam geboren. Seine Eltern waren Salomon Agsteribbe und Rachel, geb. Cohen. 

 

Der Krankenpfleger war mit Klara Agsteribbe, geborene de Hond am 15.2.1906 ebenfalls in Amsterdam, verheiratet. Das Ehepaar hatte eine Tochter, Sarina Agsteribbe, geboren am 29.8.1939. Die Familie wohnte in Amsterdam, Eendrachtstraat 3 II.

 

Seine Frau und seine fünfjährige Tochter jagten die Nazis in Auschwitz am 6.9.1944 in die Gaskammer.

 

Seine Häftlings-Personal-Karte des Konzentrationslagers Stutthof gibt an, dass er am 10.12.1944 verstorben sei. Eigenartigerweise ist es aber unter „Strafen“ aufgeführt. Aus anderen Unterlagen geht allerdings hervor, dass Samuel Agsteribbe am 15.3.1945 im KZ Stutthof ermordet wurde.

 

Quellen: Joods Monument, Yad Vashem


 

Faigla Akkerman, geb. Luftig

 

Faigla Luftig wurde am 24.8.1909 in Chrzanów geboren. Ihre Eltern waren der Textilarbeiter Moishe und Bluma Luftig. Sie hatte einen Bruder namens Zeida-Osher und die Schwestern Miriam, Rachel und Golda. Die Familie lebte im polnischen Chrzanów, bis ihr Vater Moishe 1927 nach Belgien reiste und Frau und Kinder in Abständen nachkommen ließ. Faigla kam mit 17 Jahren nach Belgien. Über ihre Schulbildung und ob sie einen Beruf erlernen konnte, ist nichts bekannt.

 

In Polen hatten Feigla und Rachel der Sozialdemokratischen Zionistischen Partei angehört, in Belgien schlossen sie sich einem kommunistischen Emigrantenclub an. Als kommunistische Sympathisanten distanzierten sich die Geschwister von Religion und jüdischen Traditionen zum Unwillen ihrer frommen Eltern. In dem Emigrantenclub lernte sie Emiel Akkerman, geboren am 12.4.1908, kennen, dessen Eltern um die Jahrhundertwende aus Polen nach Belgien eingewandert waren.

 

Der eingebürgerte Belgier war von Beruf Diamantschleifer, außerdem ein kommunistischer Gewerkschaftsaktivist. Am 10.7.1934 heirateten die Beiden. Ihr Mann zog gegen ihren ausdrücklichen Willen mit anderen Antwerpenern nach Spanien und kämpfte in der XI. Internationalen Brigade. Am 14.11.1936 starb er in Casa de Campo bei der Verteidigung von Madrid.

 

Daraufhin rekrutierte Faigla eine Gruppen von Frauen, unter anderem auch ihre Schwestern Rachel (siehe Rachel Goth) und Golda (siehe Golda Berliner), und organisierte eine Reise nach Spanien, um die Internationalen Brigaden zu unterstützen. Durch den spanischen Bürgerkrieg kam sie also zur Pflege und arbeitete ab Mai 1937 als Hilfsschwester im Hospital El Belga in Ontentiente (heutiger Name Ontinyent).

 

Nach der Auflösung der Internationalen Brigade flüchtete sie nach Frankreich und schloss sich einer Widerstandsgruppe an. Als ihr durch die Nazis eine Gefangennahme drohte, konnte sie mit Hilfe zuerst in Marseille, später in einem kleinen Dorf in der Nähe von Clermont-Ferrand untertauchen und so den Krieg überleben.

 

Nach dem Krieg kehrte sie zuerst nach Antwerpen zurück und zog dann nach Brüssel. 1951 konnte sie dort im Sint-Pieters-Krankenhaus arbeiten, nachdem sich ein Arzt dafür eingesetzt hatte. Allerdings überwachten sie die belgischen Behörden wegen ihrer Nähe zum Kommunismus und dem Verdacht, eventuell für die Sowjetunion zu spionieren.

 

Faigla Akkerman starb am 24. Juni 1959 in Brüssel an Krebs.

 

Quellen: Geni.com; Yad Vashem; Le Maitron https://maitron.fr/; Internationale Frauen im Spanischen Krieg 1936 – 1939 https://internationale-frauen-im-spanischen-krieg-1936-1939.de/; https://sidbrint.ub.edu/ca/node/26528 Universi-tat de Barcelona

 

 

 
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