Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


     2013     

Zehn Jahre Virtuelles Denkmal „Gerechte der Pflege“

 

Angefangen hatte alles mit Sarah Nußbaum auf meiner privaten Homepage zur Pflegegeschichte für meine damaligen Altenpflegeschüler. Über Sarah Nußbaum hatte ich als Jugendliche in der Zeitung gelesen. Seitdem floss viel Wasser durch die Havel und die Zeiten hatten sich mit PC und Internet gewaltig verändert und ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Als wir die NS-Zeit in der Pflegegeschichte durchnahmen, fragte meine Klasse, ob denn alle Pflegekräfte mitgemacht hätten und was aus den jüdischen Kolleginnen und Kollegen wurde. Die Fragen meiner Schülerinnen und Schüler ließen mir keine Ruhe mehr.

 

Waren alle Pflegekräfte unpolitisch und angepasst oder waren sie alle "braun", also nationalsozialistisch? Betrachtet man die Vorstellungen vieler Mitbürger, auch heute noch, dann sollten Pflegekräfte duldsam sein, nie widersprechend, folgsam und dienend. In solchen Klischees gibt es Ärzte, die denken, anordnen und ausführende Pflegekräfte.

 

Pflegekräfte im Widerstand? Als selbständig Denkende, die für ihre Ideale eintraten und notfalls kämpften?

 

Waren alle Pflegekräfte Täter? Ein derartiger Eindruck konnte entstehen, wenn man sich mit der Euthanasie in der Nazizeit auseinandersetzte. Die Täter wurden namentlich erwähnt, die Opfer selten. Gab es keine Pflegekräfte, die "Nein" sagten? Die ihrem Gewissen folgten, eine Berufsethik besaßen?

 

Waren alle jüdischen Mitbürger Ärzte? Gab es wirklich jüdisches Pflegepersonal? Und wenn: Was ist aus ihnen geworden? Die Rolle der Ärzte, Juristen, Lehrer im Nationalsozialismus wurde ziemlich schnell ausführlich erforscht. Daher bestand die Gefahr, dass ein altes neues Vorurteil be- bzw. entsteht: Alle Juden waren Akademiker und reich. Das wäre schlimmstenfalls keine Rechtfertigung für den Antisemitismus der Nazis, aber eine Erklärung. Dass beispielsweise sich tausende deutsche Juden freiwillig im I. Weltkrieg meldeten - als Soldaten, aber auch als Pflegekräfte, geht in solchen Klischees unter. Dass die jüdische Pflege in Deutschland bis zu den Nazis vorbildlich und richtungsweisend war, ist sowieso nur wenigen Deutschen bekannt.

 

Ich fing an zu suchen. Und wurde fündig. Immer mehr Pflegende aus der Nazizeit konnten dem Vergessen entrissen werden. Bald stieß ich bei den Recherchen auch auf Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern, die eine Aufnahme im Virtuellen Denkmal verdienten, weil auch sie gegen die Nazis und Faschismus kämpften oder sich verweigerten. Die Pflegenden der Internationalen Brigaden beispielsweise kämpften nicht nur gegen die spanischen Putschisten, sondern gegen den internationalen Faschismus, verdeutlicht durch Hitlers Unterstützung. Was wäre passiert, wenn die Putschisten in Spanien nicht gewonnen hätten? Welche Auswirkungen hätte es für die Nazis gehabt? Es gibt Historiker, die die These vertreten, hätte die rechtmäßige Republik in Spanien gesiegt, wäre die Macht der Faschisten in Deutschland und Italien erheblich geschwächt gewesen. Hitler & Co wussten schon, warum sie Spanien im Auftrag von Franco zusammenbombten. Und die Pflegekräfte wussten, was sie verteidigen.

 

Es ist das Jahr 2013 - vor zehn Jahren begann ich am Virtuellen Denkmal „Gerechte der Pflege“ zu arbeiten. Ich erfuhr viel Zuspruch und Hilfe. Anfangs fast nur von Historikern, in den letzten Jahren setzen sich zunehmend Pflegende mit den „Gerechten der Pflege“ auseinander. Auch die Pöbeleien der Ewiggestrigen und Neugestrigen bedeuteten Hilfe. Sie waren eine Ermunterung zur Weiterarbeit.

 

Ich bin sehr froh, dass bis zum heutigen Tage das Virtuelle Denkmal Gerechte der Pflege seine Unabhängigkeit und Überparteilichkeit bewahren konnte. Nach wie vor ist es nicht kommerziell. Das bedeutet natürlich auch, dass jegliche Mitarbeit oder Bereitstellung von Materialien nicht finanziell entlohnt werden kann. Jeder, der meine Arbeit unterstützt, erhält den gleichen Lohn wie ich seit zehn Jahren: Das Wissen, dass jeder Gerechte der Pflege, der dem Vergessen entrissen wurde, eine Niederlage für die Nazis ist und ein Sieg für eine humane Pflege.

 

Ich danke an dieser Stelle allen Unterstützern für Ihre Arbeit und Engagement.

 

Heidrun Dreyling-Riesop 

 

 

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